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Nach unserem Übersichtsartikel „Smart Farming: der digitale Bauernhof“ haben wir uns nun mit John Deere, dem Weltmarktführer im Bereich Landtechnik, über die Digitalisierung der Landwirtschaft unterhalten.

Lieber Herr Larscheid, bereits 2016 schrieb eine große deutsche Tageszeitung: „Doch in Sachen Automatisierung und Vernetzung ihrer Fahrzeuge ist die vermeintlich lahme Traktorbranche schneller und weiter als die Autoindustrie.“ – wie sieht es ein Jahr später aus und welche Rolle spielt das Thema bei John Deere?

Mit der Einführung neuer Fahrer-Assistenz-Systeme in PKWs wie zum Beispiel Einparkautomatik, Abstandsautomatik und Spurhalteassistenten bemüht sich die Automobilindustrie in Punkto „Automatisierung“ aufzuholen, wir sehen uns in der Landtechnikbranche aber immer noch ein paar Schritte voraus.

Das Thema spielt bei John Deere nach wie vor eine entscheidende Rolle. Ein Großteil unserer Entwicklungsbudgets fließt in die Entwicklung und Erprobung weiterer Automatisierungsfunktionen welche sowohl zur Fahrerentlastung beitragen, die Flächenleistung steigern als auch die Nachhaltigkeit der Landwirtschaftlichen Produktion fördern.

Ein Beispiel dafür ist die mit einer Silbermedaille (Agritechnica) ausgezeichnete „Integrierte Automatische Anbaugerätesteuerung“. Bei diesem System wird sowohl die Schlepperlenkung als auch die Querverschiebung des Anbaugerätes über DGPS und Kameratechnologie automatisiert. Zusätzlich wird die Vorfahrtsgeschwindigkeit vollkommen automatisch gesteuert und auf einen Maximalwert von 16 km/h geregelt, wenn die Feldbedingungen eine qualitativ hochwertige Feldbearbeitung bei dieser Geschwindigkeit zulassen.

Mit dieser Automatisierungslösung aus dem Hause John Deere ermöglichen wir eine deutliche Reduzierung des Herbizid-Einsatzes bei hoher Flächenleistung in einem für den Fahrer der Maschine erträglichen Umfeld.

Wie erklären Sie sich, dass gerade die Landwirtschaft einer der Treiber der Digitalisierung ist?

Durch die fortschreitende Globalisierung in der Landwirtschaft und der Zunahme extremer Witterungsverhältnisse steht die Landwirtschaft weltweit unter erheblichem Druck kostenoptimiert und nachhaltiger zu produzieren. Um das kurz- und mittelfristig zu erreichen, schätzen Experten weltweit und auch wir bei John Deere den Einfluss der Digitalisierung in der Landwirtschaft als sehr hoch ein. Wir sind überzeugt davon, dass die Digitalisierung hier einen signifikanten Beitrag leisten wird.

Beim Thema Smart Farming haben viele Menschen vor allem große landwirtschaftliche Betriebe vor Augen. Wie kann auch ein kleiner Landwirt in der Praxis von intelligent vernetzten Maschinen profitieren?

Um dem erforderlichen Kostendruck einer globalisierten Landwirtschaft Stand zu halten, sind besonders „kleine“ Betriebe extrem gefordert.  Daher sehen wir es nicht nur als politische Aufgabe Rahmenbedingungen für den Erhalt kleinerer und mittlerer Betriebe zu schaffen, sondern auch wir sind gefordert Digitale Lösungen zu schaffen, von denen besonders diese Kundengruppe profitieren kann.

Auch bei kleinen Betrieben geht es darum, die Produktionskosten pro Hektar bewirtschafteter Fläche zu reduzieren. An dieser Stelle sind wir als Unternehmen gefordert, Digitale Lösungen anzubieten, die auf kleineren Maschinen installiert werden können. Zu Preisen, die sich dieses Kundensegment leisten kann – und das setzen wir konsequent um.

Darüber hinaus werden vor allem Saisonmaschinen (Mähdrescher, Feldhäcksler, usw.) heute oft von Lohnunternehmern überbetrieblich eingesetzt. Für sie sind zusätzliche Dienstleistungen wichtig, wie zum Beispiel die Dokumentation von Daten, ein attraktives Angebot um Kunden zu gewinnen oder ihnen einen Mehrwert zu bieten.

John Deere - HarvestLab

Wenn von der Digitalisierung die Rede ist, kommt in der öffentlichen Debatte unweigerlich das Thema Datenschutz ins Spiel, insbesondere in Deutschland. Welche Rolle spielt das Thema für die Landwirte und wie geht John Deere damit um?

Wir nehmen das Thema „Datenschutz“ extrem ernst und erkennen an, dass besonders produktionsrelevante Daten für unsere Kunden sehr sensibel im Hinblick auf den Datenschutz sind. Wir sind der festen Überzeugung, dass eine nachhaltige Digitalisierung der Landwirtschaft nur dann funktioniert, wenn es den Anbietern der Werkzeuge (wie z.B. John Deere) gelingt, das Vertrauen im Punkte Datenschutz zu erlangen und langfristig zu erhalten. Um das zu erreichen richten wir sowohl die technische Infrastruktur für die Datenhaltung und Verarbeitung als auch die internen Prozesse unserer Mitarbeiter darauf aus.

Wo liegen Ihrer Meinung nach derzeit die größten Hemmnisse für die Digitalisierung und Industrie 4.0?

  • Flächendeckender Breitbandausbau der mobilen Datenkommunikation, besonders auch in ländlichen Gebieten.
  • Für die Kunden „einfach“ nutzbare Werkzeuge.
  • Für die Kunden klar verständliche Darstellungen des Mehrwertes, der durch die Digitalisierung im konkreten betriebsspezifischen Einsatz realisiert werden kann.
Georg Larscheid
Georg Larscheid, Integrated Solutions Implementation Manager bei John Deere.

Im März 2017 wurde bekannt, dass John Deere mit dem Drohnen-Start-up Kespry kooperiert. Wie können Drohnen Landwirte bei ihrer Arbeit unterstützen?

Drohnen können zum Beispiel Luftbildaufnahmen generieren, welche den Wachstum, Status, den Düngerbedarf oder auch die Verunkrautung eines gesamten Feldes grafisch darstellen. Diese Daten können Grundlage für die Durchführung einer Maßnahme sein und ermöglichen sogar die „standortspezifische“ Behandlung des Schlages – zum Beispiel Düngen nur an den Stellen, wo der Bedarf am höchsten ist.

Inzwischen gibt es autonome Traktoren und Saatroboter. Welche Neuerungen erwarten uns in den kommenden zehn Jahren? Bewirtschaftet der Landwirt seinen Hof irgendwann nur noch vom Schreibtisch aus?

Obwohl langfristige Perspektiven und Strategien durchaus ihre Berechtigung haben, betrachten wir die Einführung der Digitalisierung in der Landwirtschaft als einen schrittweisen Prozess, der sich über viele Dekaden hinziehen wird und schon bereits vor rund 20 Jahren begonnen hat. Durch die Digitalisierung werden sich bestimmte Produktionsschritte sicherlich über die Zeit verändern.

Eine vollkommen „Ferngesteuerte Landwirtschaft“ mag man sich unter stark idealisierten Bedingungen technisch zwar vorstellen können, aber in einer breitflächigen Anwendung liegt das noch in weiter Ferne, da die Variabilität und die Unberechenbarkeit lokaler Standortbedingungen in der Landwirtschaft unter freiem Himmel extrem komplex sind.