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In Baden-Württemberg bleiben die Schulen noch bis zum Ende der Osterferien geschlossen. Inmitten der Corona-Krise schlägt nun die Stunde des E-Learnings.

Das Problem ist schon seit vielen Jahren bekannt, doch erst die aktuelle Krise hat offenbart, welche massiven Defizite Deutschlands Schulen im Bereich E-Learning aufweisen. Es gibt kaum einheitlichen Standards oder Plattformen, auf die Schüler und Lehrer jetzt zurückgreifen können. Mitunter verfügen die Lehrkräfte noch nicht einmal über eine dienstliche E-Mail-Adresse, um mit ihren Schülern zu kommunizieren.

Aus diesem Grund wird nun vielerorts improvisiert. Der Unterricht läuft über inoffizielle E-Mail-Verteiler, Gruppen-Chats ins Messengern – oder, sofern es die Technik zulässt, sogar über Videokonferenz-Plattformen wie Microsoft Teams. Lehrer laden Hausaufgaben auf bereits existierende E-Learning-Plattformen hoch. Auf dem selben Weg reichen die Schüler ihre erledigten Hausaufgaben dann auch wieder ein. Parallel gewinnen unzählige Plattformen und Apps für digitale Bildung an Popularität. Ein Überblick.

Lernplattformen für den digitalen Unterricht

Das Problem der digitalen Bildung in Deutschland ist gar nicht so sehr, dass es an den Möglichkeiten mangelt, sondern vielmehr, dass sie nicht genutzt werden. So existiert die mittlerweile wohl bekannteste E-Learning-Plattform „Moodle“ schon seit rund 19 Jahren. Bildungseinrichtungen und Unternehmen können eigene Moodle-Systeme betreiben und dort Lernangebote für ihr Zielgruppe bereitstellen – und zwar kostenlos, denn Moodle ist ein Open Source-Projekt.

Zu den Features zählen unter anderem:

  • Online-Kurse
  • Diskussionsforen
  • Unterstützung von Gruppenarbeit
  • Abstimm-, Umfrage- und Quizfunktion
  • verschiedene Übungs- und Prüfungsszenarien
  • Online-Sprechstunden mit dem Lehrer

Ähnliche Funktionen aber einen weitaus moderneren Look hat die E-Learning-Plattform „mebis“ vom Landesmedienzentrum Bayern. Hier steht Lehrern und Schülern sogar eine Mediathek zur Verfügung.

E-Learning

Das Problem an der Sache: Eine Plattform wie „Moodle“ muss von der Schule zuerst aufgesetzt werden und „mebis“ befindet sich noch in der Aufbauphase. Ob die Server dem Corona-bedingten Ansturm gewachsen sind, bleibt abzuwarten. Als Ad-hoc-Lösung scheinen deshalb Plattformen wie „Classroom“ von Google weitaus geeigneter zu sein – sofern der zuständige Datenschutzbeauftragte mitspielt.

Und dann wäre da noch ein anderes Problem: Nicht jeder Lehrer kommt mit den E-Learning-Plattformen zurecht und kann ohne weiteres die Inhalte für seine Schüler dort hochladen. Umgekehrt hat aber auch nicht jeder Schüler einen Computer daheim, um diese dann abzurufen. Noch sind viele Fragen offen.

E-Learning: Private Anbieter haben die Nase vorn

Darauf, welche Plattformen Lehrer nutzen, um ihren Schülern dieser Tage digitalen Unterricht zu ermöglichen, darauf haben Eltern keinen Einfluss – wohl aber darauf, wie sie selbst ihre Kinder unterstützen können.

Im Prinzip gibt es für jede Altersstufe und jedes Interessengebiet die passenden Angebot. So bietet beispielsweise die Hacker School @home Kurse an, in denen man das Programmieren lernen kann. Für die Bereiche Mathematik, Deutsch, Sachunterricht und Musik bis zur 10. Klasse wird von Experten die kostenlose Lern-App Anton empfohlen. Sie verfügt nicht nur über unzählige Übungen und Lernspiele, sondern beinhaltet sogar spezielle Lerneinheiten für Kinder mit Legasthenie und Dyskalkulie. Eine Alternative für die Klassen 1 bis 7 ist die Web-App Scoyo mit Arbeitsblättern, Vokabeltraining und Lernvideos.

Weitere empfehlenswerte Lern-Apps und -Plattformen:

  • Klett-Apps (Grundlagen fürs Lesen und Rechnen, kostenpflichtig)
  • Matific (Mathe bis zur 6. Klasse)
  • Studysmarter (für Schüler und Studierende)
  • Simpleclub (8 bis 13. Klasse, interaktive Übungen und individuelle Lernpläne)

Wer sich lieber Videos anschaut, findet inzwischen in der ARD Mediathek ein breites Angebot an Lernangeboten. Kostenlose Nachhilfe gibts bei „Die Merkhilfe“ auf Youtube und wer sein Augenmerk auf Karlsruhe legen möchte, sollte einen Blick auf „Digitales für zu Hause“ bei karlsruhe.digital werfen.

Digitale Bildung: Die Krise als Chance nutzen

Wie eingangs bereits erwähnt, hat die Corona-Krise offenbart, wie stiefmütterlich das Thema „Digitale Bildung“ in der gesamten Bundesrepublik in den vergangenen Jahren behandelt wurde. Auf der anderen Seite hat sie aber auch gezeigt, dass E-Learning durchaus möglich ist, sofern alle Beteiligten gewillt sind, sich darauf einzulassen.

Entscheidend sind die Lehren, die aus der Krise gezogen werden. Die Bundesländer müssen an einheitlichen Plattformen und Standards für E-Learning arbeiten – und auch in Nicht-Krisenzeiten das analoge mit dem digitalen Lernen verbinden. Für Lehrkräfte müssen E-Learning-Konzepte bereits im Studium Pflicht sein, alle anderen müssen entsprechend geschult werden. Darüber hinaus gilt es, auch Schülern aus sozial schwachen Familien die digitale Teilhabe – durch eine entsprechende IT-Ausstattung der Klassen – zu ermöglichen.