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Im europäischen Vergleich rangiert Deutschland beim Ausbau des Breitbandnetzes seit Jahren lediglich im Mittelfeld, bei den Glasfaser-Anschlüssen belegt die Bundesrepublik sogar die hintersten Plätze. Nun hat die Bundesregierung ihr Ausbauziel erneut verfehlt. Ein Kommentar.

Neues vom Breitbandausbau: Bis 2018 soll es in ganz Deutschland schnelles Internet mit mindestens 50 Megabit pro Sekunde geben. Die Bundesregierung hat eine entsprechende Förderrichtlinie beschlossen, die 2,7 Milliarden Euro für den Ausbau freimacht.

Mit diesem Teaser startete auf techtag.de am 21. Oktober 2015 ein Text zum Thema Breitbandnetz. 50 Mbit/s bis 2018. Für jeden Haushalt in ganz Deutschland. Wow!

Man muss sich vor Augen führen, dass zum damaligen Zeitpunkt in Ländern wie Südkorea bereits mehr als 72 Prozent aller Häuser (FTTH) und Gebäude (FTTB) direkt ans Glasfasernetz angeschlossen waren. In Anbetracht dessen, erschienen die 50 Mbit/s schon 2015 als absoluter Minimalkonsens für ein wirtschaftlich so gut aufgestelltes Land wie Deutschland. Inzwischen sind 50 Mbit/s zum Teil schon nicht mehr ausreichend. Allein Netflix in 4K schlägt mit 25 Mbit/s zu Buche. Schaut der Nachwuchs dann noch ein Video bei YouTube an und irgendein Smart Home-Device zieht sich ein Update aus dem Netz, ist der Anschluss überlastet. Unternehmen, die auf Cloud-Services angewiesen sind und zum Teil mehrere Terabyte an Daten im Monat versenden und empfangen, trifft es noch härter.

Aber kommen wir zurück zum Versprechen der Bundesregierung: 50 Mbit/s bis 2018. Für jeden Haushalt in ganz Deutschland. Was ist daraus eigentlich geworden? Seit ein paar Wochen ist klar: Nichts. Laut Statista hatten Ende 2018 deutschlandweit 87,8 Prozent der Haushalte Zugriff auf einen Breitbandanschluss ≥ 50Mbit/s. In Baden-Württemberg waren es 87,4 Prozent, in Sachen-Anhalt sogar nur 68,4 Prozent.

Erschwerend kommt hinzu, dass bei dieser Statistik sowohl drahtlose (LTE) als auch kabelgebundene Anschlüsse gewertet wurden. Schaut man sich beispielsweise nur die (V)DSL-Anschlüsse der Telekom an, so kommen lediglich 74,5 Prozent der Haushalte auf die angestrebten 50 Mbit/s.

Breitbandnetz
Quelle: BMVI

Breitbandnetz: Die digitale Kluft in Deutschland wird größer

Wer weinen möchte, wirft nun noch einen Blick auf die Glasfaser-Statistik. Im OECD-Vergleich liegt Deutschland mit unglaublichen 2,6 Prozent auf einem der letzten Plätze. Chile erreicht 16 Prozent, die Slowakei 29,5 Prozent, Litauen 72,1 Prozent. Der Durchschnitt liegt bei 24,8 Prozent.

Nun höre ich schon den ein oder anderen sagen, dass ihm derzeit ja auch sein 16 Mbit/s-Anschluss ausreicht. Na herzlichen Glückwunsch! Nur leider wird das im Zeitalter des Digitalisierung nicht mehr lange so sein. Bald schon wird es 8K-Inhalte geben, für deren Streaming rund 100 Mbit/s notwendig sind. Künftig werden alle Haushaltsgeräte intelligent vernetzt sein und große Datenmengen in der Cloud lagern. Wer keinen Zugriff auf schnelles Internet hat, wird ganz einfach abgehängt.

So, genug Polemik – denn mit dem Stichwort „abgehängt“ kommen wir nun zum eigentlichen Problem, um das es beim Ausbau des Breitbandnetzes geht. Derzeit haben rund 35 Prozent der Gewerbebiete in Deutschland keinen Zugang zu schnellem Internet. Somit liegt in jedem dritten Gewerbegebiet die maximale Internetgeschwindigkeit bei unter 50 Mbit/s. Besonders betroffen sind Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, wo sogar 57 Prozent aller Gewerbegebiete unterversorgt sind. Anders sieht es in den Stadtstaaten und Großstädten aus, wo der Ausbau des Breitbandnetzes schon heute weit fortgeschritten ist.

Die Konsequenz daraus? Die digitale Kluft zwischen West und Ost sowie Stadt und Land wird größer und größer. Denn schnelles Internet ist inzwischen zum Standortvorteil geworden. Wenn nun aber noch mehr Menschen und Unternehmen in die Ballungsräume ziehen, wird es für die Netzbetreiber noch unattraktiver, den Ausbau des Breitbandnetzes im ländlichen Raum voranzutreiben. Ein Teufelskreis.

Am Ende des Tages geht es beim Thema Breitband-Infrastruktur nicht um das Streamen von 4K-Inhalten bei Netflix, sondern vor allem um die Chancengleichheit in unserer Gesellschaft.