Seit meiner Kindheit begeistern mich Museen, weil mir dort die Vergangenheit jenseits von Schulbüchern und anhand von Objekten erklärt wurde. Museen faszinieren Menschen noch immer. Dabei erlebt jede Besucherin und jeder Besucher etwas anderes bei einer Ausstellung. So verschieden die Museumsgäste sind, so unterschiedlich sind auch die Fragen und Erwartungen an ein Museum.
Traditionell werden Ausstellungen von Kuratoren entworfen und das Wissen von oben nach unten weitergegeben. Ich bin extrem dankbar, gerade in diesen Zeiten an einem Museum arbeiten zu dürfen, denn Museen arbeiten momentan an neuen Wegen, die zu ihnen führen. Einen dieser neuen und spannenden Wege geht derzeit das Badische Landesmuseum.
Eine museale Digitalisierung
Die Digitalisierungswelle macht auch vor Museen keinen Halt. Im musealen Alltag können nie alle Objekte einer Sammlung ausgestellt werden und daher befindet sich ein Großteil der Objekte für die Öffentlichkeit ungesehen in Magazinen. Hier bietet die digitale Erfassung der Objekte die einzigartige Möglichkeit, diese Dinge doch der breiten Öffentlichkeit und auch der Fachwelt zugänglich zu machen. Das Ziel ist die digitale Verbreitung des kulturellen Erbes.
Die Digitalisierung der musealen Objekte umfasst neben hochauflösenden Digitalfotos und 3D-Scans alle verfügbaren Informationen, wie beispielsweise Klassifizierung, Datierung, Maße und Eigenschaften. Eine solche Sammlung an Daten eröffnet bislang ungeahnte Möglichkeiten für eine weitergehende Nutzung und wahrscheinlich hat jeder dabei andere Vorstellungen und Ideen. Um bei der Ideenfindung die Bürgerinnen und Bürger mit ins Boot zu holen, hat das Badische Landesmuseum das Projekt „Creative Collections“ ins Leben gerufen. Das Museum soll partizipativ werden.
Neue Wege ins Museum von morgen
Die klassischen Aufgaben eines Museums sind neben dem Ausstellen, auch das Sammeln, Bewahren und Forschen. Der Erfolg eines Museums hängt nicht nur von seinen Ausstellungen und den Objekten darin ab, sondern auch von der Relevanz, die die Bewohner einer Region dem Museum einräumen. Neue technische Möglichkeiten und sich verändernde kulturelle Rahmenbedingungen haben den Anspruch und die Erwartungen der Bürger an die Museen erhöht und verändert. Dem möchte das Badische Landesmuseum Karlsruhe mit der Neusausrichtung seiner Sammlungen Rechnung tragen. Direktor Prof. Dr. Eckart Köhne hat den neuen Ansatz unter die Überschrift „Museumsbesucher zu Nutzern machen“ gestellt. Ein Teil dieses Masterplans, der in den kommenden Jahren Schritt für Schritt umgesetzt werden soll, ist das Projekt „Creative Collections“.
Das Museum wird zu „My Museum“
Bei „Creative Collections“ geht es nicht nur um eine Digitalisierungsstrategie, sondern auch darum, aus Besuchern aktive Mitwirkende zu machen. Alle gesellschaftlichen Gruppen sollen angesprochen werden, denn jeder Bürger hat unterschiedliche Ansprüche und Erwartungen an ein Museum. Um dem gerecht zu werden, wird sich das Museum auf zwei Ebenen öffnen: intern und extern. Zunächst werden dazu die Objekte aller Sammlungen digital fotografiert, verständlich beschrieben sowie verschlagwortet und in einer Online-Datenbank frei verfügbar gemacht. Die Daten sollen dabei so aufgearbeitet werden, dass Suchmaschinen darauf zugreifen können.
Dabei sollen Schlagwort- und Volltextsuche, unscharfe Suche, automatische Korrekturfunktion und ein Ranking der Treffer die Recherche vereinfachen. Rund 500.000 Objekte beherbergen die Sammlungen des Badischen Landesmuseums, die bereits seit 2002 digitalisiert werden. Aufgrund der hohen Anzahl der Objekte muss die Erfassung mehrstufig erfolgen, damit das Vorhaben in einem zeitlich vertretbaren Rahmen bleibt. Um die hohe Menge an Daten optimal verarbeiten zu können, wird ein hochleistungsfähiges Gigabit-Glasfasernetz in Verbindung mit Hochgeschwindigkeits-WLAN notwendig sein. Zudem wird in den kommenden Jahren eine anwenderspezifische Software entwickelt.
Ein solcher über das Internet zugänglicher Gesamtkatalog der Sammlungen des Hauses ist jedoch erst der Anfang. Der Umgang mit den digitalen Daten des Museums wird völlig neue und bislang ungeahnte Möglichkeiten erschließen. Wie mit diesen Daten umgegangen wird, entscheiden künftig nicht mehr nur Experten alleine, sondern auch die Bürger aus der Region Karlsruhe. Wenn Museen bislang ihr Wissen von oben nach unten vermittelt haben, findet jetzt auf drei Ebenen ein Umdenken statt.
Der Bürgerbeirat
Das Badische Landesmuseum lädt alle Bürgerinnen und Bürger ein, an der digitalen Neuausrichtung mitzuwirken. Sie können ihre eigenen Vorstellungen, Erwartungen und Ideen einbringen. Es darf mitgeredet werden, was aus den digitalen Daten weiter gemacht wird, um so völlig neue Zugänge zum Museum zu schaffen. Dabei ist alles offen: Ob Blogs, Spiele, virtuelle Ausstellungen, Lernprogramme – alles ist möglich und gewollt. Gewünscht ist eine neuartige Auseinandersetzung mit den vielfältigen Objekten des Museums. Dr. Johannes Bernhardt, Leiter des Projektes, betont die Bedeutung des direkten Dialoges mit den künftigen Nutzerinnen und Nutzern. Die Anmeldung für den Bürgerbeirat ist noch bis zum 31. August möglich.
Der Fachbeirat
Das Projekt-Team um Dr. Johannes Bernhardt holt sich zudem beratende Unterstützung von rund 20 Expertinnen und Experten aus den Bereichen Journalismus, Wissenschaft, Kulturmanagement und Digitalen Medien mit ins Boot. So erhält das Museum weitere Inspiration und innovative Perspektiven auf das Museum von morgen.
Das MuseumsCamp
Das Badische Landesmuseum belässt es jedoch nicht bei der Idee eines Bürgerbeirates, sondern möchte die Tore des Museums noch weiter öffnen: Im November wird ein großes MuseumsCamp im Karlsruher Schloss stattfinden. Etwa 130 Bürgerinnen und Bürger sowie Expertinnen und Experten sollen über die digitale Zukunft des Museums diskutieren und eigene Ideen einbringen. Hier sollen Wege für die digitale Neuausrichtung des Badischen Landesmuseums entwickelt werden, um mehr spannenden Raum für künftige Nutzer zu bieten.
The next Generation – wie sieht die Zukunft aus?
Die erste Abteilung, die im Rahmen der Neuausrichtung 2019 eröffnet werden soll, ist die Archäologie in Baden. Und so viel sei schon jetzt verraten: Es wird um innovative Verwendung digitaler Medien und umneuartige Raum- und Einrichtungskonzepte gehen.