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Im Segment der Automotive-Technologie ist adaptives Licht bereits Standard. Es passt sich wie selbstverständlich an die Verkehrs- und Umgebungslichtverhältnisse an. Diese Art der ‚künstlichen Intelligenz‘ (KI) nennt man auch adaptives Frontscheinwerfersystem, kurz AFS. Aber was genau steckt hinter dieser Technologie und warum sind besonders Städte an einer urbanen Verbreitung dieser modularen Lichtquelle interessiert. Ein Erklärungsversuch.

Um die Technologie besser zu verstehen, bleiben wir kurz beim Auto. Die adaptiven Scheinwerfer in einem Automobil haben zusätzlich, zu der eigentlich Funktion eines Scheinwerfers, eine anpassbare Lichtverteilung, die sich zudem automatisch der Geschwindigkeit, dem Straßentyp und den Witterungsbedingungen anpassen. Die Kunst darin ist nicht das Licht selbst, vielmehr sind es die äußeren Situationen, auf die sich der Scheinwerfer und die erwähnte KI (Kameras, Sensoren, Infrarot) automatisch einstellen (siehe Video).

In der Praxis: Ein integriertes Sensoren- und Motoren-getriebenes Schwenkmodul steuert den Scheinwerfer und erzeugt so unterschiedliche Lichtfelder. In Städten beispielsweise wird das sogenannte Abbiege-Licht erzeugt. Auf Landstraßen, bei einer Geschwindigkeit bis zu 120 Kilometern pro Stunde, wird dagegen der rechte äußere Rand stärker ausgeleuchtet; inklusive dem dynamischen Kurvenlicht – voll automatisch versteht sich. Speziell die Sichtweite ist bei der adaptiven Methode enorm; dürfte allerdings in Abhängigkeit des Leuchtmittel-Herstellers stehen. So wird die Fahrbahn nicht nur stetig und dynamisch ausgeleuchtet; vielmehr sprechen wir von Sichtweiten von bis zu 110 Metern (auf Autobahnen); anstatt vorherigen 65 Metern mittels Halogenscheinwerfer. Dabei sind allerdings Unterschiede festzumachen: LED, Xenon und Halogen. Alle drei haben derzeit ihre Berechtigung. Dabei sind vor allem die Laufstunden sowie die erwähnte Lichtstärke zu nennen. In beiden Bereichen können Xenon und LED punkten. Die alte Technik Halogen wird wahrscheinlich in einigen Jahren vom Markt verschwunden sein.

Adaptives Licht in der Stadt

Aber was hat nun das adaptive Scheinwerferlicht mit der urbanen Entwicklung zu tun? Nun, die Stadt Braunschweig hat diese Technologie bereits 2007 mit in der Stadtplanung berücksichtigt. So sind anpassbare Lichtquellen nicht nur im Gebrauch effektiver, sie sparen auch Energie und damit viel Geld. So kommen auf zirka jeden zehnten Bewohner in Deutschland eine Straßenlaterne; so die Technische Universität Braunschweig. Nachts brennen nach eigenen Angaben zirka zehn Millionen Lichtspender (Stand 2016) in Städten – auch wenn Straßen, Plätze und Brücken menschenleer sind und nur vereinzelt von Fußgängern, Radfahrern und Kraftfahrzeugen passiert werden. Jährlich werden dabei etwa drei bis vier Milliarden Kilowattstunden Strom verbraucht und über zwei Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre geblasen. Klimaschutz und kommunale Finanznöte führen mittlerweile zum Umdenken, was aber oft bedeutet, Laternen vor allem in dörflichen Regionen nachts ganz auszuschalten. Der Braunschweiger Architekt Jörg Baumeister hatte damals bereits die Idee, wie man die jeweilige Stadtbeleuchtung stromeffizient und bedarfsgerecht regeln kann. Mit seinem damals patentierten Verfahren PALS (Projekt Adaptives Licht System) gehen oder fahren Passanten nicht durch erleuchtete Straßen, sondern das Licht begleitet sie durch die ansonsten nächtlich dunkle Stadt. „Mit Ortungs- und Funktechnologien wird die Bewegung von Passanten, Radfahrern und Kraftfahrzeugen detektiert und über eine Stadtlicht-Steuerung an jede Straßenleuchte weitergeleitet. Und schon bewegt sich der Passant in einer Lichtinsel von etwa 60 Metern Radius, die ihn stetig begleitet – groß genug, um sich nicht wie im Spotlight zu fühlen.“

Ähnlich arbeitet auch adaptives Licht im Auto. Infrarot-Licht, Kameras sowie Sensorik erfassen die Außenwelt und der Bordcomputer wertet im Millisekunden-Bereich die erhobenen Daten aus. Dieses Verfahren ist mittlerweile technologisch gesehen in ähnlicher Art und Weise weltweit im Einsatz. Gleich dem Motto: „Künftig werden sich nicht nur Tages- und Kunstlichtlösungen mehr am Wohl des Menschen orientieren, vielmehr wird das richtige Licht zur richtigen Zeit am richtigen Ort strahlen“, so Mathias Wambsganß, Professor für Lichtplanung und Gebäudetechnik an der Hochschule Rosenheim, gegenüber des Zukunftsreports 2017 (kostenpflichtig). Der Report zeigt auf, warum ‚Das neue Licht‘ in urbanen Entwicklungen in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird.

Smart Cities: Kopenhagen, Heidelberg, Zürich, LA

Im hohen Norden Europas, in Kopenhagen (Dänemark), hat man beispielsweise 21.000 sogenannter ‚Smart Lights‘ an dafür vorgesehenen Straßenzügen installiert. Bis 2025 will die Stadt CO2-Neutral sein – adaptives Licht soll eine intensive Säule dieses Vorhabens darstellen. Zudem will die Stadt damit erreichen, dass durch die Integration von zusätzlichen Sensoren in intelligente Außenbeleuchtungsnetzwerken ein effizienteres Verkehrsmanagement und -monitoring die Straßen- und Verkehrsverhältnisse verbessert. Ähnlich verfahren bereits Städte wie Los Angeles (LA, USA) oder Zürich (Schweiz). LA etwa spart laut des Zukunftsreports jedes Jahr zehn Millionen US-Dollar ein, weil die Stadtplanung zunehmend alte Beleuchtungstechnologien mit neuen (LEDs) austauscht. Was ich allerdings persönlich erschreckend finde, ist nicht nur die Energieverschwendung; sondern auch die sogenannte Lichtverschmutzung spielt bei den Stadtplanern aber auch bei den Autobauern eine Rolle: „Um Lichtverschmutzung zu messen, verwendet man die Lux-Einheit. Sie misst die Anzahl der Photonen, die pro Sekunde auf unsere Augen treffen. So hat zum Beispiel der Abend- oder Morgenplanet Venus eine Lux-Zahl von 0,0001. Der volle Mond bringt in der Nacht 0,1 bis 0,3 Lux – das Maximum, das seit Äonen jemals auf Organismen in der Nacht einwirkte. Zum Vergleich: Ein Einkaufszentrum oder ein erleuchtetes Hochhaus produziert zehn bis 20 Lux, ein Flughafen 100 Lux in einem halben Kilometer Entfernung“, gibt der Zukunftsreport 2017 abschließend zum Thema zu bedenken.

Ein gutes Licht-Beispiel aus Deutschland, neben dem aus Braunschweig, zeigt ein Zeit-Artikel aus dem vergangenen Jahr. Dort wurde ein Pilotprojekt aus Heidelberg vorgestellt. Genauer beschrieben handelt es sich um das Neubauviertel hinter dem Hauptbahnhof. In Nordbaden, im besagten Viertel, benötigen die Radfahrer seit 2016 „keinen Dynamo“ mehr. „Die Leuchtdioden tauchen den Radweg, der auf einem ehemaligen Bahndamm durch dunkle Kleingartengebiete führt, in weißes Licht – und zwar nur in Fahrtrichtung. Kaum hat der Radler eine Laterne passiert, erlischt sie weitgehend. Dafür erwacht hundert Meter voraus die nächste bereits aus dem Dämmerzustand“, so Zeit Online. Was mich persönlich etwas traurig stimmt: „Heidelberg ist die erste Großstadt in Deutschland, die die Lichtwende großflächig umsetzt. Seit fast zehn Jahren werden die flimmernden Leuchtstoff- und gelblichen Natrium-Hochdrucklampen Stück für Stück gegen weiße Leuchtdioden getauscht, in drei Jahren soll die Hälfte aller Straßenlaternen damit ausgestattet sein.“ Sprich, da müssen die Städte und Kommunen hierzulande wesentlich mehr Engagement zeigen.

Adaptive Ausleuchtung der Zukunft

Und die nächste Licht-Generation steht bereits in den Startlöchern. Dabei werden vor allem bestehende Licht-Technologien miteinander verknüpft. Der Hersteller Hella etwa setzt in Zukunft, zumindest in der Automobilbranche, auf Liquid Crystal Displays (LCD). Sie sollen laut Hersteller eine Lichtverteilung in ‚Echtzeit‘ ermöglichen. Dabei werden die LCDs mit LED-Scheinwerfern kombiniert. Insgesamt 30.000 Pixel projiziert der neue LCD-Scheinwerfer nach eigenen Angaben auf die Straße. Damit kann das Lichtbild intelligent, stufenlos und in ‚Echtzeit’ an verschiedene Fahrsituationen angepasst werden. „Die Nutzung eines LC-Displays ist ein weiterer Schritt in Richtung Digitalisierung des Lichts“, sagt Christian Schmidt, Leiter der lichttechnischen Vorentwicklung bei Hella. Das bedeutet: Die Adaption des Lichtbildes erfolgt in Zukunft mehr und mehr softwaregesteuert. Der Fahrer bekommt die bestmögliche Sicht auf die Straße. Einzelne Segmente, in denen sich beispielsweise andere Verkehrsteilnehmer oder stark reflektierende Verkehrsschilder befinden, lassen sich gezielt ausblenden oder dimmen. Auch hochkomplexe Funktionen sind denkbar: Navigationspfeile oder Linien, welche die ideale Fahrspur vorgeben, können auf die Straße projiziert werden. In der Praxis generiert das Display eine Matrix von 100 x 300 Bildpunkten, die sich einzeln schalten und dimmen lassen. Eine im Fahrzeug verbaute Kamera sowie ein Sensor, der optisch Abstände und Geschwindigkeiten misst (Light detection and ranging Sensor LiDAR), geben die Umweltformationen über einen Rechner an das Scheinwerfer-Steuergerät weiter. Dieses steuert die einzelnen Bildpunkte des Displays bis zu 60 Mal pro Sekunde an. Als Lichtquelle werden 25 in drei Reihen angeordnete Hochleistungs-LEDs eingesetzt. Die Leuchtstärke jeder LED wird an die jeweilige Beleuchtungssituation angepasst.

Meines Erachtens ist die smarte Stadt hinsichtlich der Lichtentwicklung leicht umzusetzen. Die Investitionen sind dabei sogar überschaubar. Jetzt müssen die Städteplaner nur noch damit beginnen, adaptives Licht, also die vorhandene Technologie, auch massenhaft einzusetzen. In Deutschland machen das vorbildlich die Städte Heidelberg und Braunschweig – andere Städte folgen hoffentlich deren Beispiel.

Zusätzliche Quellen

Tvilight

Hella

Skoda (AFS-Definition)

Lesen Sie zum Thema auch: Zukunftskommune@bw: Digitalisierung in Städten und Gemeinden