Wir leben im Informationszeitalter, werden mit Botschaften bombardiert und mit Reizen überflutet. Das Ergebnis: wir stumpfen ab und nehmen nur noch einen Teil unserer Umwelt wahr. Das wiederum stellt Marketeers vor eine Herausforderung. Denn um dennoch zu uns durchzudringen, bedarf es neuer Strategien. Strategien, die unkonventionell sind. Strategien für Marketing Guerilleros.
In der Stadt, im Fernsehen, auf dem Smartphone – täglich prasseln unzählige Informationen auf uns ein. Sie buhlen um unsere Aufmerksamkeit. Und ein Großteil davon ist werblicher Natur. Waren es in den achtziger Jahren noch 650 Werbebotschaften pro Woche, so gehen die Schätzungen heute in die Zehntausende. Man kann getrost von einer Reizüberflutung sprechen.
Das menschliche Gehirn reagiert auf diesen medialen Overkill, indem es alles ausblendet, was irrelevant erscheint. Unsere Aufmerksamkeit ist eben nur ein begrenzt vorhandenes, kognitives Gut.
Und so sortiert das Gehirn die ankommenden Reize fleißig in ein auf Erfahrungswerten beruhendes Raster. Ist die Information wichtig? Berührt sie mich? Besteht vielleicht sogar Gefahr? Oder kann sie weg? Letzteres trifft in den meisten Fällen auf Werbung zu, denn nur selten ist sie wichtig oder berührt uns. Und Gefahr für Leib und Leben besteht durch sie schon mal gar nicht. Sie nervt höchstens.
Guerilla Marketing – oder zumindest das, was wir heute darunter verstehen – versucht aus diesem Raster auszubrechen und auf unkonventionelle Weise in unser Wahrnehmungsfenster vorzudringen.
Guerilla Marketing: Eine Definition, mehrere Auslegungen
Erstmals verwendet wurde der Begriff Mitte der 1980er Jahre von Jay C. Levinson. Mit der neuen Wortschöpfung bezieht sich der Unternehmensberater auf eine Kriegstaktik, die auf Zermürbung des Gegners zielt. Mit nadelstichartigen Angriffen agieren autonom operierende Einheiten aus dem Verborgenen, da sie der militärischen Übermacht in einem offenen Gefecht nicht gewachsen wären, und nutzen dabei geschickt die Schwachstellen des zentral geführten Kriegsapparates.
Übertragen auf das Feld der Kommunikation, ergibt sich somit ein Kleinkrieg der Informationen und Zeichen. Die Guerilla-Metapher erlaubt jedoch verschiedene Auslegungen. Die heutzutage wohl gängigste Definition besagt, Guerilla Marketing beschreibe eine spektakuläre Werbeaktion. Wieviel der Marketing-Stunt gekostet hat? Irrelevant. Dabei spielte der finanzielle Aspekt bei Levinson noch eine entscheidende Rolle: „Guerilla Marketing is a body of unconventional ways of pursuing conventional goals. It is a proven method of achieving profits with minimum money“.
Und so ist ganz genaugenommen der Abreisszettel an der Straßenlaterne – sofern er gut gemacht ist – näher an der ursprünglichen Idee als beispielsweise die hochgelobte #umparkenimkopf-Kampagne von Opel. Weil der Abreisszettel günstig ist und uns an einem Ort erreicht, wo wir nicht unbedingt mit Werbung rechnen.
— Thomas Hitzlsperger (@ThomasHitz) 22. Februar 2014
Kreative Beispiele und urbane Interventionen
Ursprüngliche Definition hin oder her. Heute werden unter dem Begriff zumeist Interventionen des öffentlichen Raums zusammengefasst, die aufgrund ihrer unkonventionellen Machart für Aufsehen sorgen.
Nivea zeigt anhand einer Couch, wie straffend die gleichnamige Creme wirkt; Meister Proper definiert Sauberkeit anhand eines Zebrastreifens neu; Edeka lässt Friedrich Liechtenstein durch die Supermarktgänge tanzen. Und die Marketing-Abteilungen werden dafür nicht zu Unrecht gefeiert. Supergeil.
Edeka landete mit dem Supergeil-Video einen Viral-Hit. In der Hauptrolle: Friedrich Liechtenstein
Guerilla Marketing im Marketing-Mix
Guerilla Marketing sollte jedoch nicht auf eine Kommunikationsstrategie reduziert werden. Die Methoden sind auf den gesamten Marketing-Mix anwendbar und somit auch auf Produkt-, Preis-, Distributionspolitik.
Der Filehosting-Dienst Dropbox hat beispielsweise einen Großteil seines Wachstums dem Charakter seiner Distributionsstrategie zu verdanken. Statt Adwords zu schalten oder Telefonakquise zu betreiben, implementierte Dropbox ein einfaches Prämiensystem: Nutzer können sich 500 Megabyte Speicherplatz dazu verdienen, indem sie Freunden und Bekannten Dropbox empfehlen. Die Kosten für Dropbox sind dabei vergleichsweise gering, der Effekt jedoch groß. Laut CEO Drew Houston stiegen die Anmeldezahlen nach Implementierung des Empfehlungssystems um 60%.
Guerilla Marketing und seine Unterdisziplinen
Nun sind Empfehlungs- und Prämienprogramme keineswegs neu. Und das waren sie auch nicht, als Dropbox 2007 an den Markt ging. Neu war hingegen die virale Verbreitung, die sich durch das Internet und die aufkeimenden sozialen Medien ergab.
Und schon sind wir beim viralen Marketing angekommen und gleichzeitig auch am Ende dieses Artikels. Denn um diese Unterdisziplin geht es erst im nächsten Teil unserer kleinen Serie.
- Virales Marketing
- Ambient Marketing
- Ambush Marketing
- Buzz Marketing
- Vorbilder aus der Subkultur
Übrigens: Ein Großteil dieser Methoden findet man heutzutage auch im Growth Hacking wieder – aber das ist wohl noch einmal ein Thema für sich. Eins nach dem anderen.