Bereits ein unbedachter Kommentar reicht heutzutage aus, um in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter einen Shitstorm loszutreten. Wir verraten Ihnen, was es im „Auge des Sturms“ zu beachten gilt.
Der Duden definiert den Begriff „Shitstorm“ kurz und knapp als „Sturm der Entrüstung in einem Kommunikationsmedium des Internets, der zum Teil mit beleidigenden Äußerungen einhergeht“. Das klingt auf den ersten Blick harmlos. In der Praxis kann ein Shitstorm allerdings für Unternehmen jeder Größenordnung zu einem handfesten Problem werden – und das innerhalb kürzester Zeit.
Das liegt in erster Linie an der Eigendynamik, die einem Shitstorm innewohnt. Bereits ein falscher Kommentar, eine flapsige Äußerung oder ein „witzig gemeinter“ öffentlicher Beitrag reichen aus, um die Lawine ins Rollen zu bringen. Im Regelfall ergreift ein Nutzer, der sich „angegriffen“ oder provoziert fühlt, das Wort – und lässt seiner Entrüstung freien Lauf. Das alles geschieht öffentlich. Weitere Personen lesen den Kommentar und springen auf die Welle der Empörung auf. Einige, weil sie sich solidarisch zeigen wollen. Andere, weil sie vielleicht ohnehin schon einen Groll gegen das Unternehmen oder die Marke hegen. Je mehr Leute mitmischen, desto rauer wird der Ton. Beleidigungen bis hin zu Drohungen sind keine Seltenheit.
Viele Unternehmen, die sich das erste Mal mit einem Shitstorm konfrontiert sehen, sind von der aggressiven Grundstimmung völlig überfordert – und gießen durch überschnelle oder falsche Reaktionen auch noch Öl ins Feuer.
Aber wie geht man überhaupt richtig mit einem Shitstorm um?
Shitstorms vermeiden: Lassen Sie es gar nicht erst soweit kommen
Die beste Art, mit einem Shitstorm umzugehen, ist es, erst gar keinen zu provozieren. Klingt banal, aber tatsächlich sind die meisten Shitstorms hausgemacht. So sollte man beispielsweise als Unternehmen auf die Kritik eines Kunden nicht mit persönlichen Beleidigungen antworten, wie das ein Mitarbeiter von DHL im November 2018 tat:
Die einzige Scheiße hier, ist Ihr Rumgeheule! „Voraussichtlich“ (wie es nachweislich von uns angegeben und im Standardversand üblich ist) als „feste Daten“ wahrzunehmen, grenzt schon sehr an Realitätsverlust. Und jetzt zurück zu Mami an die Brust! ^SI #wann?
— DHL Paket (@DHLPaket) 28. November 2018
Weiterhin sollten die Beschwerden von Kunden ernst genommen und nicht heruntergespielt werden. Das musste der Netzbetreiber O2 bereits im Jahr 2011 lernen. Ein Kunde beschwerte sich über das schlechte Netz und bekam als Antwort, dass er ein Einzelfall sei. Dumm nur, dass dieser das so nicht hinnehmen wollte. Der Berliner initiierte kurzerhand die Website „Wir sind Einzelfall“ auf der sich binnen weniger Tage hunderte O2-Kunden meldeten, die ebenfalls Probleme hatten. Konkurrenten wie die Telekom nutzten den Vorfall, um frustrierte O2-Kunden abzuwerben. O2 selbst musste zugeben, dass es Probleme gibt und versprach, das Netz auszubauen.
Eine Lehrstunde für Feingefühl erhielt derweil das Social Media-Team von REWE im Juni 2018. In der WM- und EM-Zeit nutzen Unternehmen gerne den „Buzz“ vor Deutschlandspielen, um in den sozialen Netzwerken auf sich und ihre Produkte aufmerksam zu machen. So auch REWE vor dem Vorrundenspiel zwischen Deutschland und Mexiko. „Witzig“ wollte man sein – und auf die „Pizza Classica Tex-Mex“ der Eigenmarke „REWE Beste Wahl“ aufmerksam machen. Gesagt, getan. Auf Twitter ging 45 Minuten vor Anpfiff folgender Tweet online: „Mexikanern beim Aufwärmen zugucken? Geht auch in deinem Backofen.“ Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Keine drei Stunden später war der Tweet wieder gelöscht und REWE sah sich gezwungen, eine Stellungnahme abzugeben.
Was lernen wir daraus? Im Social Media Marketing sollte auf alle Formen von Rassismus, Sexismus, etc. verzichtet werden, selbst wenn beim Mittagessen der Kollege die Idee „ganz witzig“ findet. Weiterhin sollte der Umgang mit den Beschwerden von Kunden auf Augenhöhe erfolgen, so dass sich diese ernst genommen fühlen. Zweideutige Aussagen oder gar Provokationen sollten unter allen Umständen unterlassen werden.
Bedenken Sie immer: Was einmal im Netz steht, bleibt dort auch. So hat REWE den Tweet zwar innerhalb kürzester Zeit gelöscht, allerdings gab es zu diesem Zeitpunkt bereits zig Screenshots, die den Fehltritt der Marketingabteilung für die Ewigkeit (und die Folien von Social Media-Seminaren) festhalten.
Der Shitstorm ist am Horizont – was jetzt?
Damit man auf einen Shitstorm adäquat reagieren kann, muss man diesen zunächst erkennen. Am besten bereits in der Entstehungsphase. Im Idealfall sollte es dazu in jedem Unternehmen vordefinierte Mechanismen geben. Das kann ein Monitoring-Tool sein, oder ganz einfach eine fitte Social Media-Abteilung, die die Kanäle stets im Blick behält. Ein Shitstorm kennt nämlich keine festen Arbeitszeiten oder Feiertage. Das heißt freilich nicht, dass ein mittelständischer Betrieb auch nachts um 3 Uhr jemanden bezahlen muss, der auf der Facebook-Seite Kommentare beantwortet. Aber wenn beispielsweise am Freitag um 16 Uhr noch ein Beitrag veröffentlicht wird, sollte spätestens am Samstagmorgen jemand nach dem Rechten schauen.
Je früher man den sich anbahnenden Shitstorm entdeckt, desto höher ist die Chance, dass man ihn durch die richtigen Maßnahmen noch „eindämmen“ kann. Sollte beispielsweise die Beschwerde eines Kunden Stein des Anstoßes sein, reicht oft schon eine freundliche, öffentliche Reaktion (die ohnehin selbstverständlich sein sollte), in der man auf den Kunden eingeht und ihm Unterstützung anbietet. Letzteres sollte dann aber im nicht-öffentlichen Rahmen geschehen, beispielsweise über die Messenger-Funktion von Facebook. Auf diese Weise verhindern Sie, dass sich Dritte in die Diskussion einschalten und diese anheizen.
Wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, sollten Sie der Ursache auf den Grund gehen. Falls Sie mit einem Beitrag im Nachhinein betrachtet wirklich total daneben gelegen haben (siehe REWE-Beispiel), sollten Sie diesen löschen und ein entsprechendes Statement veröffentlichen. Falls Sie, wie einst die ING mit ihrem Wurst-Werbespot, nur ins Kreuzfeuer bestimmter Personengruppen geraten, empfiehlt es sich, die Diskussion zu suchen und selbst die Agenda zu bestimmen. Je nach Ausmaß kann es sich lohnen, fallbezogen einen externen Experten hinzuzuziehen. Was Sie (wie die ING) auf keinen Fall tun sollten: Die Diskussion kommentarlos und ohne Moderator laufen lassen.
Ebenfalls absolute No-Gos: Den ursächlichen Beitrag kommentarlos löschen – oder noch schlimmer, Nutzerkommentare löschen. Denn dann kommt zum ursprünglichen „Vorwurf“ ganz schnell auch noch das Thema Zensur.