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Facebook plant seine eigene globale Kryptowährung „Libra“ einzuführen. Damit stößt das soziale Netzwerk in ein neues Geschäftsfeld vor. Das erhitzt die Diskussion, wie sich eine stärkere Kontrolle der Privatsphäre, des Content-Managements und des Kartellrechts auf die Technologiebranche auswirkt.

Die letzten Jahre waren für die FAANG-Aktionäre (Facebook, Amazon, Apple, Netflix und Google) sehr lukrativ. Seit dem Börsengang von Facebook im Mai 2012 haben die FAANG-Konzerne 2 Billionen Dollar Eigenkapital für die Anleger geschaffen. Diese goldene Periode endete jedoch abrupt mit der Ergebnispublikation von Facebook im zweiten Quartal 2018, als Sorgen über das langsamere Umsatzwachstum und die steigenden Kosten – teilweise wegen Investitionen in die Sicherheit – zu einem eintägigen Ausverkauf von 20 Prozent führten. Die Marktkapitalisierung von Facebook verringerte sich um 120 Milliarden Dollar – dabei handelt es sich um den historisch größten Tagesverlust einer Aktie. Obwohl der Aktienkurs von Facebook im Dezember 2018 auf ein 18-Monatstief fiel, hat er inzwischen einen erheblichen Teil der Verluste wiedergutgemacht.

Die Negativschlagzeilen führten dazu, dass Anleger über die Gründe des Ausverkaufs und die Zukunft der FAANG breiter zu diskutieren begannen. Insbesondere wird das Wachstumspotenzial vor dem Hintergrund der angedrohten, stärkeren Regulierungsauflagen abgewogen. Im Folgenden untersuchen wir, was das für die Technologieriesen in Zukunft heißen könnte und konzentrieren uns darauf, wie sich eine stärkere Prüfung von Datenschutz-, Content-Management- und Kartellfragen auf die Branche aus- wirken könnte.

Burggrabeneffekt

Der Cambridge Analytica-Skandal des vergangenen Jahres, bei dem Facebook beschuldigt wurde, Dritten ohne ihr Wissen Zugang zu großen Teilen der Daten seiner Nutzer zu gewähren, war für viele ein Augenöffner. Datenschutzbeauftragte weisen aber darauf hin, dass dies nicht der erste Fall war, in welchem einer Internetplattform vorgeworfen wurde, personenbezogene Daten missbraucht zu haben. Bis vor kurzem sind Forderungen nach mehr Regulierung jedoch weitgehend ausgeblieben.

Um den wachsenden Bedenken der Nutzer Rechnung zu tragen, haben mehrere Regierungen begonnen durch Gesetze Änderungen der Praktiken im Umgang mit persönlichen Daten zu verlangen, wie z.B. die Europäische Union mit der Allgemeinen Datenschutzverordnung (DSGVO). Bisher sind aber kaum sektorweite Auswirkungen des Missbrauchs personenbezogener Daten zu sehen: Das Umsatzwachstum ist nach wie vor robust und Milliarden nutzen weiterhin die Dienste von Online-Plattformen, da es keine alternativen Möglichkeiten gibt.

Die wichtigere Frage stellt sich bei der Auswirkung auf die Einnahmen. Wir würden erwarten, dass einige neue Wachstumswege versperrt blieben, wenn die Gesetzgeber versuchen Plattformen dabei einzuschränken, wie sie ihre Nutzerbasis monetarisieren. Gleichzeitig könnte die Begrenzung des Datenaustausches mit Dritten den Effekt der „Burggräben“ verstärken, den große Plattformen mit ihren starken Marken und Milliarden von etablierten Konsumentenbeziehungen genießen. Das Engagement der Nutzer ist für den Sektor entscheidend um die Einnahmen zu steigern und Barmittel zu generieren. Eine stärkere Sorgfaltspflicht wird das Vertrauen der Nutzer stärken. Dies wiederum wird zu einer höheren Kundenzufriedenheit führen, so dass die Plattformen weitere Werbegelder anziehen können.

Unsoziales Verhalten im Netz

Das Internet demokratisierte Inhalte. Dadurch wurden soziale Plattformen zu Medienaggregatoren, die diese Inhalte bereitstellen, die von den Nutzern als relevant erachtet werden. In jüngster Zeit hat das zu zahlreichen Anschuldigungen geführt, wie etwa der Behauptung, dass soziale Netzwerke «Fake News», staatlich gesteuerte politische Einmischung und «Hate Speech» fördern und unsoziales Ver- halten geduldet wird.

Die Content-Aggregatoren sind nicht als Medienunternehmen reguliert und konnten so die Verantwortung – und gesetzliche Haftung – für die veröffentlichten Inhalte vermeiden. Mit zunehmendem Druck stehen Plattformen vor der schwierigen Entscheidung, diese Probleme entweder selbst zu beheben oder riskieren unter externe Aufsicht gestellt zu werden. Bei der Selbstregulierung besteht die Herausforderung für Unternehmen darin, die Moderation von Inhalten und ihr unermüdliches Streben nach Wachstum in Einklang zu bringen.

Die Stimmung in den USA hat sich gedreht

Da die Dominanz der Tech-Konzerne unantastbar scheint und ihre Fehltritte immer öffentlicher werden, wurden Vorwürfe laut, die Plattformen seien zu groß und zu mächtig geworden. Man kann sie nicht dafür bestrafen, dass sie dominant und erfolgreich sind – aber verhalten sie sich wie Monopole und handeln wettbewerbswidrig? Die Struktur der digitalen Wirtschaft macht es schwierig, diese Frage zu beantworten.

Kartellmaßnahmen sind das größte potenzielle Risiko für den Sektor. Weitere Untersuchungen in der EU sind wahrscheinlich, werden aber – im Einklang mit früheren Maßnahmen gegen Google – höchst- wahrscheinlich nur zu Geldbußen und Maßnahmen gegen gewisse Geschäftspraktiken führen, die diese Unternehmen nicht übermäßig belasten werden.

Die größere Unbekannte ist der öffentliche Diskurs in den USA. Die Stimmung hat sich im vergangenen Jahr deutlich verändert. Die politische Rhetorik, die eine Zerschlagung der dominanten Akteure fordert, hat sich verschärft – sowohl unter der bestehenden Regierung als auch bei den führenden Demokraten. In der Vergangenheit wäre ein solcher Ruf höchst unwahrscheinlich gewesen, da er eine grundlegende Änderung des kartellrechtlichen Rahmens der USA erfordert. Die Aussichten dafür sind jedoch nicht mehr weit hergeholt.

Die Herausforderung für die dominierenden Internetplattformen besteht darin, wie man den zunehmen- den Aufforderungen zur Veränderung begegnen kann, bevor die Regulierungsbehörden handeln. Die Konzerne werden angesichts der zunehmenden öffentlichen Kritik, wahrscheinlich versuchen, diese Probleme durch Selbstregulierung anzugehen. Dies könnte den negativen Effekt haben, dass die etablierten Unternehmen, die über die notwendigen technologischen und finanziellen Ressourcen verfügen, gestärkt werden, während sich gleichzeitig die Eintrittsbarrieren für neue Marktteilnehmer erhöhen.