Der Mittelstand in Deutschland sucht verzweifelt nach Fachkräften. Die Suche gestaltet sich allerdings schwierig: Schlecht ausgebildete Bewerber, geringe Motivation, traumhafte Gehaltswünsche werden als Ursachen der Misere genannt. Die Flüchtlingskrise könnte daher dem Mittelstand ins Handwerk spielen, eine Chance sein: Auch um die deutsche Wirtschaft weiterhin in der Erfolgsspur zu halten.
Es klingt skurril: Die Flüchtlingskrise zeigt auf erschreckende Art und Weise, wie kaputt unsere Welt ist. Gleichzeitig sehen viele Wirtschaftsexperten in den einzelnen Schicksalen auch eine Chance für den deutschen Mittelstand – einige allerdings auch nicht. „Mehr als 78 Prozent aller befragten Inhaber und Geschäftsführer kleiner und mittlerer Betriebe gehen davon aus, dass noch nicht einmal jeder zehnte Flüchtling direkt in Arbeit oder Ausbildung vermittelbar ist“, so der O-Ton einer Studie des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft.
Rund 83 Prozent der befragten 3.000 Entscheider lehnen es ab, einen Flüchtling einzustellen, wenn dieser kein Deutsch spricht. Eine Voraussetzung, für die jeder einzelne allerdings auch mit ein wenig Fleiß etwas beitragen kann. Ausländische Studenten haben es ebenfalls nicht leicht. Und die Stimmung beim Mittelstand könnte ohnehin besser sein.
Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt: Positive Beispiele gibt es bereits
Die Stimmung ist allerdings nicht überall so pessimistisch. „Den Wettbewerb um Fachkräfte und Azubis können Unternehmen nur gewinnen, wenn sie Neuen und Neuem gegenüber offen sind“, erklärt Thomas Wurst, Geschäftsführer Wurst Stahlbau, gegenüber dem Onlinemagazin Markt und Mittelstand. Wurst erkannte schon im Mai 2015, dass die Flüchtlinge eine Chance für sein Unternehmen sind. „Die meisten Menschen benötigen lediglich eine Sprachausbildung sowie eine Weiterqualifizierung.“ Und wir sprechen immerhin von mehr als einer halben Million offener Stellen, die der Mittelstand noch zu vergeben hat.
Die Zukunft wird deshalb denjenigen gehören, die bereit sind, sich umzuorientieren und unkonventionelle Wege zu beschreiten. Gerade dies hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten immer als eine besondere Stärke des Mittelstandes erwiesen. Viele Betriebe wollen gerne Flüchtlinge beschäftigen, beklagen aber politische Restriktionen. „Der Mittelstand ist bereit, den aus ihrem Heimatland geflohenen Menschen eine langfristige Perspektive zu bieten“, sagt Mittelstandsverbund-Präsident Wilfried Hollmann gegenüber dem Wirtschaftsmagazin Der Handel. „Der Mittelstand fordert die Politik auf, diese politischen Hürden abzubauen und die Ankömmlinge gezielt auf den deutschen Arbeitsmarkt vorzubereiten, etwa durch Sprachkurse.“ Weitere gute Beispiele zeigen, dass es in jeder mittelständischen Branche funktionieren kann (Videos): Handwerk setzt vermehrt auf Flüchtlinge / Bamberg/ Coburg: HWK engagiert sich für junge Flüchtlinge.
Klar ist aber auch, dass es in manchen Berufsgruppen für die Flüchtlinge schwer wird. Das deutsche Bildungsniveau der Berufsgruppen Arzt und Ingenieur etwa ist mit einer Fortbildung beziehungsweise klassischen Ausbildung nicht zu erreichen. Experten sprechen dahingehend sogar von fünf bis sieben Jahren Ausbildung – für die Bundesregierung ein teures und langjähriges Unterfangen. Dennoch, die Jobcenter sind motiviert. 3.500 Jobvermittler sollen 2016 sogar zusätzlich eingestellt werden.
Sicher ist auch, wenn wir es schaffen, Flüchtlinge zu integrieren, kann das den erwähnten demographischen Wandel positiv und damit nachhaltig verändern, gleichzeitig die deutsche Wirtschaft ankurbeln und zuletzt sogar die Herausforderung Fachkräftemangel lösen.
Schreiben Sie uns Ihre Meinung dazu. Sind die Flüchtlinge eine Chance für die deutsche Wirtschaft?