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Gute Ausbildung, erfolgreich abgeschlossenes Studium oder gar beides? Dennoch bekommen sie ständig Absagen von Unternehmen? Das könnte gegebenenfalls an ihren Profilen in sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook liegen. So spionieren Personaler immer häufiger ihre Bewerber in besagten Netzwerken aus und betreten dabei eine Grauzone.

46 Prozent der Personalverantwortlichen informiert sich in sozialen Netzwerken über die Bewerber. Das sagt zumindest der Branchenverband Bitkom mittels einer Recruiting-Grafik. Bereits bei der ersten Sichtung der Bewerbungsunterlagen informieren sich 30 Prozent der Personaler in sozialen Netzwerken wie etwa Facebook und Twitter. Satte 62 Prozent sollen laut Bitkom die Ergebnisse der sozialen Medien dazu nutzen, ob ein Bewerber überhaupt eingeladen wird. Wird der Bewerber eingeladen, werden die Ergebnisse von 39 Prozent hinzugezogen – selbst kurz vor der Vertragsunterzeichnung setzen zwölf Prozent noch auf Informationen von Facebook und Twitter – inklusive den Berufsnetzwerken Linkedin und Xing.

Social Media als Ergänzung zu den Bewerbungsunterlagen?

Es hat den Anschein, dass Partybilder sowie private Aussagen aussagekräftiger sind (24 Prozent) als die Qualifikationen selbst? „Wer sich auf eine Stelle bewirbt, muss damit rechnen, dass neben seinen Bewerbungsunterlagen auch seine Profile in Sozialen Netzwerken gründlich geprüft werden. In rund jedem zweiten Unternehmen (46 Prozent) werden die entsprechenden Seiten im Netz unter die Lupe genommen“, so Bitkom. Und dass Unternehmen tatsächlich private Aktivitäten mit dem Business mischen, zeigt die folgende Aussage und sollte gleichzeitig als Warnung gelten: „Aus diesem Grund werden Personalabteilungen künftig noch häufiger auf soziale Netzwerke zurückgreifen, um sich ein Bild von Kandidaten zu machen“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. „Ein bewusst gepflegtes Profil kann die Bewerbungsunterlagen ergänzen, die eigenen Qualifikationen unterstreichen und das Bild eines Kandidaten abrunden.“ Meines Erachtens eine Sichtweise, die heutzutage unpassender nicht sein kann.

Demnach hat sich bereits jeder siebte Personalchef, der sich Profile von Bewerbern in sozialen Netzwerken anschaut, aufgrund eines Online-Checks für oder gegen einen Bewerber entschieden. 90 Prozent dieser Personal-Entscheider geben Widersprüche zu den Bewerbungsunterlagen als Grund für die Entscheidung an. Dennoch: „Kein Personal-Entscheider ist so weltfremd, dass er Bewerber aussortieren würde, weil sie ausgelassen feiern. Es gibt aber Grenzen bei dem, was öffentlich ins Netz gestellt werden sollte“, so Rohleder. Ob er dabei private von beruflichen Netzwerken trennt, verrät Rohleder nicht. Inhaltlich interessieren sich Personaler vor allem für die fachliche Qualifikation, öffentliche Äußerungen zu Fachthemen sowie über das Unternehmen oder seine Mitbewerber. Knapp die Hälfte der Personaler achten laut der Grafik auch auf Hobbies oder private Aktivitäten der Kandidaten; natürlich werden auch die Bilder sehr genau beobachtet.

Twitter & Facebook: Personaler bewegen sich in einer Grauzone

„Ich habe in den Fällen, in dem mir mein Bauchgefühl sagte, dass der Bewerber interessant sein könnte, mich zuerst bei Google informiert. Tauchte der Name auf, schaute ich weiter in welchen sozialen Netzwerken und anderen medialen Bereichen dieser Name wieder vorkam und was dort über die besagte Person öffentlich zu erfahren war“, erklärt Polizeihauptkommissar Dieter Tillmann. „Erkenntnisse flossen dann meist in strukturierte Interviews mit ein. Dort achtete ich allerdings eher auf klassische Soft-Skills wie Eigenständigkeit, Anpassungsfähigkeit, ist er Bewerber kommunikativ oder ist oder war die Person vielleicht sogar ehrenamtlich aktiv. Ich glaube, dass es im Ganzen auf die individuelle Recherche ankommt und wie man die Ergebnisse sensibel in den folgenden Gesprächen mit einfließen lässt – ein Muss ist es nicht“, ergänzt Tillmann. Dieter Tillmann weiß wovon er spricht. Immerhin war er fünf Jahre lang Verhaltensbeobachter im Assessment-Center des Polizeivollzugsdienstes NRW. Dabei spielt meines Erachtens das Wort Sensibilität die entscheidende Rolle. Warum?

Personaler bewegen sich dabei immer wieder in einer Grauzone. Denn auf die Frage „Dürfen Personaler eigentlich diese Art der Recherche forcieren; antwortet die Karriere-Bibel mit folgender Ausführung: „Grundsätzlich ja, Unternehmen dürfen sich darüber informieren, was über Bewerber im Internet zu finden ist. Dabei unterliegen sie aber einigen Einschränkungen: Was bei beruflichen Portalen wie Xing oder Linkedin zu finden ist, darf im Bewerbungsprozess verwendet werden. Informationen aus eher privat geprägten Netzwerken wie Facebook dürfen allenfalls selektiv und nur in Ausnahmefällen ausgewertet werden, weil die Facebook-Nutzung oft im privaten Rahmen erfolgt und damit auf das Bewerbungsverfahren keinen Einfluss haben sollte.“

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