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Der Traum von der Selbständigkeit – immer mehr Karlsruherinnen und Karlsruher nehmen ihr unternehmerisches Schicksal selbst in die Hand und gründen ihr eigenes Business. Derzeit haben bereits mehr als 200 Startups ihren Sitz in der TechnologieRegion Karlsruhe. Bei der Gründung eines eigenen Unternehmens sollten allerdings einige Aspekte beachtet werden, die über Erfolg oder Scheitern bestimmen können.

Wir haben sieben Gründer und Gründerinnen aus der Karlsruher Digitalszene gefragt, welche Ratschläge sie anderen Selbständigen geben können und was sie rückblickend anders gemacht hätten. Hier sind 8 Tipps für jeden, der ein eigenes Unternehmen gründen möchte:

Tipp 1: Done is better than perfect

„Planen ist schön und gut, aber machen ist genauso wichtig!“ – Katrin Gaedke-Weberruß, Pharos Solutions

Bei keinem anderen Punkt sind sich die befragten Unternehmer so einig wie bei diesem. Es muss nicht immer alles perfekt sein, eine schnelle Umsetzung ist viel wichtiger. Katrin Gaedke- Weberruß, Mitgründerin und CEO beim Software-Anbieter Pharos Solutions, formuliert das so: „Eine Idee muss nicht komplett ausgereift sein, um sie auf den Markt zu werfen und zumindest mal Feedback zu bekommen.“ Die Fokussierung auf das Wesentliche steht dabei für Julian Hoss im Vordergrund. Der Mitgründer und Creative Director bei der Kreativ- und Filmproduktionsagentur NACONA sagt: „Gerade zu Beginn zählt es, nicht zu viel Zeit in unnütze Dinge zu stecken. Gründer sollten sich auf die relevanten Probleme konzentrieren und nicht alles 100-prozentig perfekt machen wollen.“ Katharina Schmidt möchte mit ihrem Unternehmen apic.ai und Künstlicher Intelligenz das Bienensterben stoppen. Sie findet: „Wer Lust hat, neue Erfahrungen zu sammeln, sollte einfach anfangen – ganz egal, mit welcher Idee. Alternativ könnt ihr euch mit anderen zusammentun, die schon eine Idee haben.“

Tipp 2: Macht Fehler und lernt daraus

„Seht Krisen als Chance!“ – Ute Klingelhöfer, contentwerk

Der zweitwichtigste Tipp bezieht sich auf die eigene Fehlerkultur: Es ist vollkommen in Ordnung, Fehler zu machen. Wichtig ist nur, daraus zu lernen und den Fehler nicht zu wiederholen. Jonas Fuchs ist Geschäftsführer bei Usertimes, einem Startup für UX und Usability Testing. Er sagt dazu: „Rückwirkend gesehen gibt es immer Dinge, die anders hätten laufen sollen. Aber dennoch würde ich in vielen Fällen die Zeit nicht zurückdrehen. Gerade die frühen Fehler haben uns einen großen und wichtigen Lernzuwachs ermöglicht. Genau diese Erfahrungen schaffen eine Grundlage für die Gründung und weiteres Wachstum. Diese Fehler nicht gemacht zu haben würde bedeuten, dass sie später nochmal auftreten können – und da würden sie zu wesentlich mehr Schaden führen.“ Ute Klingelhöfer ist Gründerin des Online-Marketing-Unternehmens contentwerk und zudem Gründungscoach beim CyberForum. Sie rät angehenden Selbständigen: „Mache deine Erfahrungen, lerne daraus und optimiere – oder wie wir im CyberForum sagen: Experiment, Fail, Learn, Repeat.“ Und Julian Hoss findet: „Wenn mal was nicht klappt, ist das nicht schlimm – nur sollte man dann flott daraus lernen und schnell wieder loslegen.“

Tipp 3: Tauscht euch mit anderen aus

„Erweitert euren Horizont!“- Julian Hoss, Nacona

Dass Networking zu einem erfolgreichen Business dazugehört, dürfte kein Geheimnis mehr sein. Die Bedeutung des Austauschs mit anderen sollte daher nie unterschätzt werden. „Geht Networken! Redet über eure Idee und holt euch Feedback ein. Es gibt in Karlsruhe so viele Möglichkeiten, sich mit anderen Gründern auszutauschen. Nutzt sie! Und nein, eure Produktidee ist nicht top secret und wird geklaut, wenn ihr sie jemandem erzählt. Die Umsetzung ist entscheidend, nicht die Idee“, findet Katrin Gaedke-Weberruß. Den Austausch mit anderen sieht auch Natalie Beyer, Mitgründerin des Data-Science-Beratungsunternehmens LAVRIO.solutions, als essentiell an. Sie empfiehlt das Gründergrillen als optimale Plattform: „Dort kann man sich mit anderen austauschen, die in der gleichen Phase stecken oder auch schon weiter sind.“ Julian Hoss sieht darüber hinaus gerade auch den Kontakt zu Fachfremden als besonders wichtig: „Was ich sehr häufig beobachte: Viele Gründer igeln sich ein und haben keinen Kontakt zu anderen Unternehmen oder Gründern. Dadurch fehlt ihnen der Blick über den Tellerrand. Ich empfehle deswegen den Austausch mit Kollegen, Weiterbildung, Conventions, Workshops – alles, was den Horizont erweitert und den Fokus auf das eigene Angebot schärft.“

Tipp 4: Sprecht mit euren potentiellen Kunden

“Pflegt den Außenkontakt!” – Jonas Fuchs, Usertimes

Kommt eure Produktidee überhaupt bei eurer Zielgruppe an? Das erfahrt ihr nur, wenn ihr direkt mit euren zukünftigen Kunden in Kontakt tretet. „Man muss sich immer fragen: Kann ich das auch verkaufen? Es gibt brillante Ideen, die irgendwann eingestampft werden, weil das Team sie nicht verkaufen kann oder sich nicht die kritische Masse an Usern findet“, weiß Katrin Gaedke-Weberruß. Dass bei jungen Unternehmen durch einen hohen Entwicklungs- und Produktfokus der Außenkontakt zu kurz kommt, beobachtet Jonas Fuchs: „Gerade der Kontakt zur Zielgruppe ist essentiell, um sicherzustellen, dass die Entwicklung in die richtige Bahn läuft. Weiterführend sind natürlich auch frühe Vertriebsgespräche zu führen, um dann auch wirklich Kunden gewinnen zu können, wenn das Produkt oder die Dienstleistung erbracht werden kann.“ Auch Julian Hoss rät: „Gründer sollten so früh wie möglich mit Kunden sprechen, um das eigene Angebot auszuarbeiten und daran anzupassen. Man sollte sich zudem die Frage stellen: Wie erfährt der (potentielle) Kunde von meinem Produkt? Gerade hier bei süddeutschen Tech- und IT-Startups beobachte ich häufig, dass Produkte jahrelang perfektioniert werden, ohne über die Vermarktung, Preise usw. nachzudenken. Mit einem naiven Irrglauben wird dann angenommen, dass die Welt „schon irgendwie davon mitbekommt” und es mir aus der Hand reißt.“

Tipp 5: Nehmt Hilfe an

„Holt euch Unterstützung!“ – Tomasz Kudlej, Studio Exil

Gerade in der Anfangsphase möchten viele Gründer und Gründerinnen alles selbst machen, um sich zu beweisen. Warum das auf Dauer keine gute Idee ist, weiß Ute Klingelhöfer: „Ich habe in meinen sechs Jahren Selbständigkeit die Erfahrung gemacht, dass es immer wieder weiter geht, auch wenn man selbst nicht weiß, wie. Dann kann man sich Rat von anderen holen, was ich selbst rückblickend gesehen manchmal erst zu spät gemacht habe, weil ich erst mal alles allein schaffen wollte.“ Tomasz Kudlej vom Designbüro Studio Exil sieht das so: „Du wirst früher oder später auf Hilfe von anderen Personen angewiesen sein, ansonsten wachsen dir die Dinge über den Kopf. Wenn du eine gewinnbringende Partnerschaft angeboten bekommst, nimm sie an und falls du Hilfe brauchst, frag nach ihr.“ Zu diesem Punkt gehört auch, die ein oder andere unternehmerische Aufgabe extern zu vergeben, sagt Katrin Gaedke-Weberruß: „Man sollte sich fragen: Was kann und sollte ich outsourcen? Wir hatten von Anfang an einen Steuerberater und das haben wir nie bereut. Die Lohnbuchhaltung haben wir auch extern vergeben, außerdem Design und große Teile des Marketings. Selbst machen wir nur das, worin wir unsere Kernkompetenz sehen oder was unbedingt notwendig ist.“

Tipp 6: Passt auf euch auf

„Hört auf euer Bauchgefühl!“ – Natalie Beyer, LAVRIO.solutions

Wer sein eigenes Business startet, neigt dazu, zu viel und zu intensiv zu arbeiten. Oftmals fühlt sich Arbeit dann nicht wie Arbeit an – und man verliert das Gefühl für die Work-Life-Balance. Tomasz Kudlej empfiehlt: „Höre auf deinen inneren Kompass und achte auf dein Wohlbefinden. Die Anfangsphase ist sehr stressig. Da kann es mal schnell passieren, dass man das Maß verliert und sich überarbeitet. Lege dir Ruhephasen fest und nimm dir Zeit für dich, bis deine Akkus wieder aufgeladen sind.“ Auch Julian Hoss warnt vor der weit verbreiteten “Work hard, play hard”-Mentalität in der Gründungsphase: „Selbstausbeutung deluxe und Arbeiten ohne Ende bringt dir nichts, wenn du nach kurzer Zeit ausgebrannt bist. Startups sind kein Sprint (außer du strebst einen schnellen Exit an), sondern ein Marathon. Deshalb: Regelmäßig den Kopf frei bekommen, Urlaub machen und gut auf sich selbst aufpassen.“

Tipp 7: Glaubt an euch selbst

„Wenn man Spaß hat, ergibt sich der Rest.“ – Katharina Schmidt, apic.ai

Wer selbst schon mit dem Gedanken gespielt hat, sein eigenes Unternehmen zu gründen, weiß, wie schnell man verunsichert werden kann. Gut gemeinte Ratschläge oder gar Warnungen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis führen dann oftmals dazu, dass es die eigene Geschäftsidee gar nicht erst bis zur Umsetzung schafft. Aus diesem Grund findet Tomasz Kudlej: „Verliere deine Vision nie aus den Augen. Immerhin arbeitest du 14 Stunden für dich selbst, statt 8 Stunden für jemand anderen. Idealismus und der Glaube an deine Idee ist alles.“ Natalie Beyer rät angehenden Selbständigen: „Hört auf euer Bauchgefühl. Man bekommt sehr viele Tipps, die bei anderen geklappt haben. Das muss aber nicht bei einem selbst funktionieren, sondern könnte aufgesetzt wirken.“

Tipp 8: Habt Spaß an eurem Business

Rückschläge oder ungeplante Ereignisse können schon mal dazu führen, dass auch der passionierteste Gründer vom Unternehmertum genervt ist. In solchen Zeiten heißt es, sich dennoch die Freude an der Arbeit zu bewahren. Katharina Schmidt sagt: „Wenn man anfängt etwas zu tun und Spaß daran hat, ergibt sich der Rest von alleine.“ Die Leidenschaft sollten sich Gründer und Gründerinnen darum immer bewahren. Katrin Gaedke-Weberruß fasst das so zusammen: „Habt Spaß und glaubt an euch, dann rockt ihr euer Business!“
Wir wünschen euch viel Erfolg dabei!

TitelbildHunterBliss / iStock
Melanie Schoen ist selbständige Online-Marketing-Beraterin mit mehr als zehn Jahren Erfahrung in den Marketing- und Kommunikationsbereichen deutscher Großkonzerne wie Bosch, EnBW und 1&1. Mit ausgeprägter Leidenschaft für Social Media Marketing und Content Marketing hilft sie Unternehmen strategisch wie auch operativ dabei, ihre Botschaften zu definieren, zu formulieren und zielgerichtet über die richtigen Kanäle auszusenden. Nach dem Abschluss ihres Master-Studiums in International Management arbeitete sie zunächst einige Jahre als Produkt -, PR- und Social-Media-Managerin, bevor sie sich als Kommunikationsexpertin selbständig machte. Sie lebt und arbeitet in Karlsruhe, wenn sie nicht gerade für ein Projekt oder ein Event unterwegs ist.