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„Und was willst du dann damit machen?“ Wer Geisteswissenschaften studiert, der kennt diese Frage zur Genüge. Und sie ist berechtigt: Der Karriereweg ist weder klar vorgegeben noch führt er automatisch zu einem bestimmten Beruf. Diese Freiheit bedeutet aber gleichzeitig auch, dass sich Absolventen geisteswissenschaftlicher Fächer ihren ganz eigenen Weg gestalten müssen. Die Digitalisierung krempelt auch den Arbeitsmarkt um und bringt ganz neue Chancen mit sich. Doch welche Berufe gibt es in der Digitalbranche und was sollte man dafür mitbringen? Eine kleine Orientierungshilfe.

Studienfächer wie Philosophie, Germanistik oder Theologie sind keine Ausbildung für einen konkreten Beruf. Vielmehr müssen Absolventen dieser Bereiche früh lernen, die Offenheit ihres Studiums zu nutzen und über den Tellerrand zu schauen. Zu den typischen Fähigkeiten (es gibt an dieser Stelle natürlich keine allgemeingültigen Aussagen!), die Geisteswissenschaftler nachgesagt werden, zählen unter anderem strukturiertes Denken, Lernbereitschaft, Kreativität und ein gutes Ausdrucksvermögen. Und wer sich in letzter Zeit Stellenanzeigen einer beliebigen Branche durchgelesen hat, dem wird vielleicht aufgefallen sein, dass genau diese Eigenschaften in der heutigen Arbeitswelt gesucht werden. Werden Geisteswissenschaftler also mit offenen Armen empfangen? Suchen Unternehmen gar händeringend nach ihnen?

Geisteswissenschaftler – die Zahlen des Arbeitsmarktes

Generell ist die Nachfrage nach Akademikern in Unternehmen überproportional gestiegen – allerdings nicht für alle Fachbereiche im gleichen Maße. Um Prozent gestiegen ist von Februar 2016 bis Januar 2017 die Nachfrage nach Kommunikations-und Medienwissenschaftlern, nur macht das insgesamt gerade einmal 1,5Prozent aller Akademikerjobs aus. Laut Adecco Stellenindex 02/2017 wird vor allem nach Informatikern und Ingenieuren gesucht. Gibt es also zu wenige Jobs für Geisteswissenschaftler? Studieren sie gar in die Arbeitslosigkeit hinein?

Zunächst die Entwarnung: Die Arbeitloslosenquote liegt mit 3 Prozent bei Geisteswissenschaftlern nicht höher als bei anderen Akademikern. Allerdings müssen Absolventen beim Berufseinstieg zunächst Geduld beweisen, da sie häufig länger nach Jobs suchen müssen. Auch der direkte Einstieg in die Berufswelt gelingt oft nicht sofort nach dem Studium, denn das für den Job benötigte Handwerkszeug muss erst noch praktisch erlernt werden. So ist beispielsweise in Verlagen, Zeitungen aber auch im Bereich Presse-und Öffentlichkeitsarbeit oftmals ein Volontariat vorgesehen. Dieses dauert in der Regel 12 bis 24 Monate und bereitet auf das spätere Berufsleben vor. In dieser Zeit erlernen Volontäre das nötige Handwerkszeug für den Beruf und können zudem wichtige Kontakte knüpfen.

So verwundert es nicht, dass bei einer Befragung des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung 39 Prozent der Bachelor und 19 Prozent der Masterabsolventen angeben, dass sie in ihrer ersten Tätigkeit nach dem Studium unterqualifiziert arbeiteten. Bei keinem anderen Studiengang liegt die Quote so hoch.
Auch das Bruttojahreseinkommen fällt selbst 1,5 Jahre nach Abschluss im Vergleich zu Absolventen anderer Fächer unterdurchschnittlich aus, dies liegt unter anderem auch daran, dass die für viele Berufe benötigten Volontariate und Praktika nicht sonderlich hoch vergütet werden. Auch sind in den ersten drei Jahren Job- und Branchenwechsel nichts Untypisches. Das Zurechtfinden im Berufsleben erfolgt bei den meisten Geisteswissenschaftlern nach vier bis fünf Jahren.

Wissen, wo es lang geht – Chancen durch die Digitalisierung

Wie schon erwähnt, sind Geisteswissenschaftler nicht auf eine Branche oder Tätigkeit beschränkt – so können sie in klassisch in Verlagen, NGOs, im öffentlichen Dienst aber auch in der IT-und Hightech-Branche Fuß fassen. Neue, durch die Digitalisierung entstandene Berufsfelder, gewinnen an Bedeutung und eröffnen Absolventen zahlreiche Möglichkeiten bei der Jobwahl.

Es kann sich lohnen, auch über den Tellerrand zu schauen: Geisteswissenschaftler finden oft ein Plätzchen, auch wenn das Jobprofil auf den ersten Blick kein 100-prozentiges Match war. Entscheidend ist dabei, Mut zu haben und sich auf Stellen zu bewerben, von denen man sich angesprochen fühlt und die man sich fachlich zutraut. Absolventen der Geisteswissenschaften sollten umso stärker auf ein kreatives Anschreiben und einen überzeugenden CV achten. Bei der Bewerbung sollte klar hervorgehen, wieso man gerade für diese Stelle geeignet ist. Kreativität, interdisziplinäre Fähigkeiten und die Akribie von Geisteswissenschaftlern werden von Personalern geschätzt.

Berufe für Geisteswissenschaftler – eine Auflistung

(Online)-Marketing

Die Marketing-Branche ist breit aufgestellt und hat sich durch die Digitalisierung auch entsprechend verändert. Der Bereich des Marketings ist so umfangreich, sodass oftmals ganz spezifische Marketing-Stellen ausgeschrieben (beispielsweise Online-Marketer, SEA-Manager….) werden. Wie sich die Tätigkeiten und die Verantwortungsbereiche voneinander unterscheiden, so differieren auch die Gehälter.

Generell geht es beim Marketing darum, (Verkaufs)-Ziele zu entwickeln und Produkt oder Unternehmen bekannter zu machen, um damit die Nachfrage zu steigern. Marketingkräfte sind auch bei der Entwicklung von Werbemotiven, Logos, Events und an zur Corporate Identity passenden Texten beteiligt. Kreativität und analytisches Denken sind also gefragt!

Social-Media-Manager 

Dass sich die Sozialen Medien für Marketing eignen, ist nicht erst seit gestern bekannt und Unternehmen suchen entsprechend nach Personal, das sich um die Sozialen Netzwerke kümmert. Geisteswissenschaftler, die Kreativität sowie Freude und Sicherheit in der Onlinekommunikation haben, sind für diesen Job also gut gewappnet.

Zu den Aufgaben des Social-Media-Managers gehören neben der geeigneten Kanalauswahl, der Kampagnenentwicklung und dem Reporting auch die Moderation der Online-Community. Im Falle eines Shitstorms müssen sich Social-Media-Manager schon mal als stressresistent und deeskalierend beweisen. Gefragt sind außerdem Feingefühl und Durchsetzungsfähigkeit und auch ein generelles Verständnis von Marketing ist für dieses Tätigkeitsfeld, das im Bereich des Online-Marketings angesiedelt ist, unabdingbar. Denn online laufen die Stricke aus allen Unternehmensebenen zusammen: Es werden Kooperationen gefahren, Veranstaltungen beworben, Communities mobilisiert und Partnerschaften gestärkt.

Online-Redakteur/ Content-Manager

Online-Redakteure schreiben Texte fürs Web, die über ein CMS (beispielsweise WordPress) veröffentlicht werden. Zu den Aufgaben gehört neben Recherche, Textkorrektur und dem Führen von Interviews auch die Suchmaschinenoptimierung (SEO) der einzelnen Artikel. Ein eigener Blog kann für den Berufseinstieg von Vorteil sein. Grundkenntnisse im Webdesign, der Bildbearbeitung und eine gewisse Social-Media-Affinität sind ebenso von Vorteil. Die Arbeit als Online-Redakteur erfordert allerdings auch eine hohe Selbstmotivation und das selbstständige Arbeiten – Dinge, die Geisteswissenschaftler aus ihrem Studium nur zur Genüge kennen. Direkt aus der Uni gelingt der Berufseinstieg oftmals über ein Praktikum oder ein Volontariat.

Nicht klar abzugrenzen vom Online-Redakteur ist der Content-Manager. Dieser ist neben der Erstellung von Inhalten in die strategische Planung von Webauftritten eingespannt, entwickelt Workflows, Redaktionspläne und koordiniert Mitarbeiter und Externe.

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Die öffentliche Darstellung von Unternehmen oder Institutionen erfordert kommunikative Fähigkeiten, Sicherheit in der deutschen Rechtschreibung und Grammatik sowie das Hineinversetzen in verschiedene Standpunkte und Positionen. Dies sind Soft Skills, die Geisteswissenschaftler schon im Laufe ihres Studiums erlernen. Neben der Kommunikation nach außen ist auch die interne Kommunikation ein Tätigkeitsfeld. Zu den Aufgaben gehören neben dem Verfassen von Pressemitteilungen, dem Pflegen und Ausbauen von Pressekontakten auch die Pflege der Internet-und Intranetauftritte eines Unternehmens. Bei vielen KMU übernehmen Mitarbeiter aus der PR-und Öffentlichkeitsarbeit zusätzlich die Pflege der Social Media Kanäle.

Der Einstieg in die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit erfolgt wie bei Journalisten und Redakteuren häufig über ein Volontariat. Aufstiegsmöglichkeiten bis hin zum Pressesprecher (beispielsweise in NGOs oder Großkonzernen) sind möglich.

Internet-Scout

Internet-Scouts recherchieren im Auftrag von Unternehmen nach Informationen und bereiten diese Ergebnisse kundengerecht auf (beispielsweise als Bericht).

Im jeweiligen Bereich beobachten Internet-Scouts so beispielsweise internationale Märkte, durchsuchen mithilfe von Schlagworten das Internet, filtern wichtige Informationen heraus und verfolgen die Meinungsbildung in den sozialen Medien. Ebenso sind Internet Scouts an der Pflege von Informationssystemen und an der Entwicklung von Onlinekonzepten von Unternehmen beteiligt. Für den Einstieg in diesen Beschäftigungsbereich ist ein Studium der Informationswirtschaft oder des Informationsmanagements von Vorteil. Aber auch Geisteswissenschaftler können als Recherchetalente in diesem Tätigkeitsfeld arbeiten.

E-Learning-Autor

E-Learning-Autoren erstellen Lernprogramme und -materialen, bei denen komplexe Inhalte (beispielsweise eine neue Software) Schritt für Schritt am Bildschirm erklärt werden. Dabei ermitteln sie den Lernbedarf der jeweiligen Zielgruppe und erstellen Drehbücher mit passenden Texten sowie interaktiven Elementen. Neben dem nötigen technischen Know-how müssen E-Learning-Autoren also auch ein pädagogisches Verständnis haben. Ebenso eine gewisse Flexibilität ist nötig, denn je nach Auftrag müssen sie sich diese Themen komplett neu aneignen.

Geisteswissenschaftler: den Wald vor Bäumen nicht mehr sehen?

Wir sehen: Geisteswissenschaftler üben durchaus qualifizierte Jobs außerhalb der wissenschaftlichen Karriere (und dem klischeehaften Fahren von Taxis ;) ) aus. Wichtig ist sicherlich, sich schon während des Studiums mithilfe entsprechender Seminare, Fortbildungen und Praktika zu spezialisieren und bei Unsicherheit Hilfe, wie beispielsweise den Career Service seiner Universität, aufzusuchen. Auch Infobroschüren, wie die des Career Service der TU Chemnitz, der Agentur für Arbeit oder der Universität Würzburg helfen dabei, sich einen ersten Überblick zu verschaffen. Will man vielleicht in Richtung Marketing , sollte man in diesem Bereich zusätzlich Seminare besuchen und Praktika machen, um sich benötigten Hard Skills anzueignen. Auch der Mut zum Quereinstieg sowie das schnelle Aneignen (fach-)fremder Inhalte gehören manchmal dazu – aber darin sind Geisteswissenschaftler ja Profis ;).