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Flächendeckend 100 Mbit/s bis 2020 – das ist Ziel in Europa. Dazu müssen alle an einem Strang ziehen: Politik, Wirtschaft und die Bürger selbst. Aber ist es das alles wert?

Im Internet kursiert seit einer Weile eine Grafik, die Zahlen der Europäischen Kommission veranschaulicht, nach denen gerade einmal 5,5 Prozent der Deutschen über einen Breitbandtarif verfügen. Das bedeutet Platz 16 im europäischen Vergleich. Auf Platz 1 liegt Belgien (22,7 %), gefolgt von den Niederlanden (17,2 %) und Litauen (13,2 %). Berücksichtigt wurden nur Anschlüsse mit einer Downloadgeschwindigkeit von mindestens 30 Mbit/s.

Statistik über schnelles Internet weltweit
Unter 10 % der Deutschen verfügen über schnelles Internet. (Bild: Europäische Kommission/Statista)

Der Fortschrittsanzeiger der Digitalen Agenda EU Kommission, der nicht die Gesamtbevölkerung, sondern die Haushalte als Bemessungsgrundlage nimmt, kommt bei dieser Verbindungsgeschwindigkeit auf einen Anteil von 16 %:

„The share of high speed connections (providing at least 30 Mbps) was lower than the EU average (16% compared to 21% in the EU).“

So oder so: Diese Grafik zeige das Versagen der Bundesregierung beim Breitbandausbau, kommentiert Netzpolitik.org. „Ganz schön peinlich im europäischen Vergleich.“

Eine vorschnelle Kritik, da sich die Zahlen offenbar auf die genutzten Breitbandtarife, also die abgeschlossenen Verträge („Subscriptions“) beziehen und nicht auf die Verfügbarkeit beziehungsweise den Ausbaustatus. Nach einer Studie des TÜV Rheinland im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur liegt die Breitbandverfügbarkeit mit einer Mindestgeschwindigkeit von 30 Mbit/s in Deutschland bei 65,2 Prozent; auf mindestens 6 Mbit/s kommen fast 95 Prozent der Anschlüsse – leitungsgebundene und drahtlose Technologien zusammengefasst. Aus diesen Zahlen lässt sich derzeit nicht ableiten, dass Deutschland seine Ausbauziele verfehlen werde.

Breitbandverfügbarkeit in Deutschland (Bild: TÜV Rheinland)

Laut Netzallianz, zu der auch die Bundesregierung gehört, soll es bis zum Jahr 2018 in Deutschland eine flächendeckende Breitbandversorgung von mindestens 50 Mbit/s geben, bislang 59,5 Prozent. Die EU-weiten Ziele deuten in die gleiche Richtung: Nach der Digitalen Agenda sollen bis 2020 alle Europäern einen Internetanschluss mit einer Datenrate von mindestens 30 Mbit/s haben und die Hälfte der europäischen Haushalte mit Anschlüssen ausgestattet sein, die eine Geschwindigkeit von 100 Mbit/s oder mehr bieten.

Nachfrage entscheidet über Fortschritte

Natürlich kann man bemängeln, dass die Verantwortlichen aus Politik und Wirtschaft zu spät die Weichen gestellt haben, auf der anderen Seite scheinen aber auch die Verbraucher keine Eile damit zu haben, die vorhandene Infrastruktur mit neuen oder erweiterten Tarifen zu nutzen und auf schnellere Anschlüsse umzusatteln. Für die meisten sind 6 oder 16 Mbit/s offenbar ausreichend, der Wechselwille entsprechend schwach ausgeprägt. Dennoch: Zur Förderung des Wirtschaftsstandorts und zur reibungslosen Nutzung digitaler Dienste wie Cloud Computing, IPTV, Online-Backup, Telemedizin, Standort-Vernetzung oder Ultra HDTV sind Bandbreiten jenseits der 30 Mbit/s Voraussetzung. Um dieses Angebot standortunabhängig abrufen zu können, erhält das Thema Breitband zur Zeit Schub von allen Seiten:

  • Die Provider setzen aktuell auf Vectoring, was als „Booster für die Kupferleitung“ (Telekom) verkauft wird, auf VDSL 2 aufsetzt und theoretische Geschwindigkeiten von bis zu 100 Mbit/s ermöglichen soll.
  • Wenn die EU von einer 100-prozentigen Breitbandabdeckung spricht, dann zählt sie dazu auch die satellitengestützten Angebote, die die weißen Flecken der leitungsgebundenen und drahtlosen Technologie abdecken. Diese Technologie kostet ungefähr ein Drittel mehr als herkömmliche DSL-Tarife, Tendenz fallend.
  • Im Herbst 2014 ist ein weiteres Treffen der Netzallianz vorgesehen, das erste Lösungsansätze für den Glasfaserausbau in ländlichen Gebieten bringen soll.
  • Die EU fördert mit der Connected Community Inititiative einzelne Pilotprojekte mit Signalwirkung für den EU-weiten Ausbau.

Es sind große Anstrengungen, die hier vorgenommen werden, um 30 Mbit/s und mehr flächendeckend zu realisieren. Was gern vergessen wird: Das ist State-of-the-Art 2014. Wie sehen unsere Ansprüche 2020 oder 2030 aus? Der Mobilfunkstandard 5G steht in den Startlöchern und wird vermutlich 2020 ausgerollt, wenn die Digitale Agenda ihre Ziele erreicht haben will.

5G soll die Übertragung mit bis zu 50 Gbit/s ermöglichen. Wer will dann noch 100 Mbit/s?