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Klischees, Mythen und Vorurteile gibt es viele – auch im StartUp Kosmos. In einer kleinen Serie wollen wir mit einigen davon aufräumen – Frei nach dem Motto: Weg mit den alten Vorurteilen! Wir brauchen Platz für neue!

„Wir wissen, was der Kunde braucht“

Diese Aussage ist gewagt. Oft denken Startup-Teams zu sehr aus ihrer persönlichen Sicht heraus. „Total geiles Produkt … kann das und das …“. Okay, für die Gründer funktioniert es schon mal. Aber gibt es auch noch andere mit diesem Problem? Und sind sie sich dieses Problems überhaupt schon bewusst? Gibt es Hürden oder Dealbreaker? Wer ist der Entscheider?

Das empathische Hineinversetzen in den Kunden ist essentiell für jedes aufstrebende Unternehmen. Nur, wer relevante Probleme der Zielgruppe erkennt und löst, erzielt auch eine Zahlungsbereitschaft für das angebotene Produkt und die Dienstleistung. Also, raus aus der Comfort Zone und mit potentiellen Kunden sprechen – nicht nur friendly ones, sondern auch kritische!

„Businesspläne schreiben ist Zeitverschwendung“

Buchdicke Fließtexte braucht man in der Regel nicht unbedingt. Doch auch hier gibt es Ausnahmen, zum Beispiel das Beantragen öffentlicher Fördermittel oder die Vorbereitung von Finanzierung durch klassische Banken.

Es gibt heute auch nette visuelle Tools, zum Beispiel den Business Model Canvas von Alex Osterwalder. Der Vorteil hierbei ist, dass dieses Teil meist direkt im Office hängt, im Umgang damit Spaß macht und Teams dadurch in der Regel fortlaufend ihr Geschäftsmodell feinschleifen. Gebundene Businesspläne verstauben häufig in Schubladen. Ich selbst bin ein Fan von Excel-Businessplänen, die insbesondere auch die zahlenmäßigen Annahmen des Teams bezüglich Markt, Sales-Pipeline, Leads, Conversion, Churn & Co. aufzeigen. Durch Austauschen von Werten oder Regeln eines Schiebers können so einfach und schnell unterschiedliche Szenarien mit ihren direkten wirtschaftlichen Konsequenzen betrachtet werden.

„Banken finanzieren keine IT Startups“

Nach der „Bubble“ war es tatsächlich mal so, die Zeiten haben sich aber mittlerweile geändert. Wenn Ihr als StartUp Kapital braucht und keine Risikokapitalinvestoren mit smart money an Bord holen wollt, dann fragt einfach mal bei Banken nach. Sie sind mittlerweile sehr offen für Gründer.

„Investoren wollen immer Mehrheitsbeteiligungen“

In den frühen Phasen wollen das nur wenige. Venture Capitalists streben es in späteren Finanzierungsrunden schon eher an – soweit muss man aber auch erstmal kommen! Bei Seed- & Frühphasenfinanzierung läuft es nach meiner Erfahrung anders. Mehrheitsbeteiligung durch einen oder mehrere Investoren reduziert die Identifikation des Kernteams.
Die Gründer müssen immer ihre Freude und Motivation behalten, das „Ding groß zu machen“. Sonst hat keiner der Beteiligten etwas davon.

„Wir machen virales Marketing“

Auf die Frage nach der Vertriebsstrategie kommt häufig diese Antwort. In solchen Fällen war es das dann auch meistens schon, was für mich so viel bedeutet wie: Wir haben keine Ahnung von Vertrieb und Marketing, geht aber bestimmt wie von selbst und kostet bestimmt auch nicht viel.

Virales Marketing ist kein Allheilmittel und dazu noch eine hohe Kunst. Die meisten Unternehmen, die mit viralen Kampagnen erfolgreich wurden, haben mit ausgewiesenen Experten zusammengearbeitet und trotzdem auch sehr viel Geld gesetzt. Für den Konsumenten sieht das immer ganz locker und zufällig aus, es steckt aber weit mehr dahinter.

Marketingbudgets werden von StartUps in ihrer Finanzplanung auch häufig unterschätzt. In frühen Phasen sollte man sich aus meiner Sicht zwar nicht in zu viel Chi-Chi verlieren, dennoch sollte man seinen Vertrieblern solide, passend zur Zielgruppe entworfene Unterlagen etc. zur Verfügung stellen und eine ansprechende, zielgerichtete Webpräsenz haben.

„Pitch ist Pitch“

Die heutigen Gründer können durch ihre ausbildungstechnische Vorbereitung immer besser pitchen. Was jedoch viele vergessen, ist dass der Köder dem Fisch schmecken muss. Ein Pitch vor dem Kunden ist nicht ein Pitch vor einem Investor, ist nicht ein Pitch bei einem Recruiting-Event oder vor Medienvertretern!

Der Kunde will Kundennutzen und die Sicherheit, eine gute Einkaufsentscheidung zu treffen. Ein Investor will Skalierbarkeit, ROI und die Sicherheit, dass er in ein fähiges Team investiert. Potenzielle neue Mitarbeiter wollen einen Arbeitgeber mit personenspezifisch relevanten Eigenschaften (Coolness, Sicherheit, Flexibilität, Innovation…). Medien suchen nach Informationen, die ihr Zielpublikum interessieren (Tante Erna liest Sonntagszeitung).

Im ersten Teil unserer kleinen Serie rund um StartUp Mythen ging es um das richtige Team, Wettbewerber und den Reifegrad des Produktes.