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Die Kriminalstatistik zwingt die Sicherheitsbehörden zum Handeln. Künftig sollen computergenerierte Prognosen die Arbeit der Ermittler unterstützen. Polizeiarbeit der Zukunft oder düstere Vision?

Urlaubszeit ist Einbruchszeit, heißt es. Es ist ja auch logisch, dass die Chance, Einbrüche zu planen und erfolgreich auszuführen, größer ist, wenn Wohnung und Häuser innerhalb eines bestimmten Zeitraums voraussichtlich leerstehen. Diese Erkenntnis führt dazu, dass die Polizei im Vorfeld verstärkt aufklärt und Privatleute entsprechende Sicherheitsvorkehrungen treffen.

Nun gibt es neben der Urlaubsregel eine Vielzahl von logischen Zusammenhängen zwischen Straftaten und den Umständen, die zur Begehung führen. Die Analyse dieser Daten fassen Experten unter dem Begriff „predictive policing“ zusammen. Im Kern geht es darum, dass Computer Informationen über das Täterverhalten bei vergangenen Straftaten sammeln, daraus Muster identifizieren und folgern, wann, wo und wie Täter demnächst erneut zuschlagen.

Zu 86 Prozent zutreffende Prognosen

Führend bei der Entwicklung solcher Data-Mining-Systeme ist das Institut für musterbasierte Prognosetechnik (IfmPt). Das Unternehmen aus Oberhausen kombiniert die Erkenntnisse aus interdisziplinären Feldern von Sozialwissenschaften, Kriminologie, Sozialgeografie sowie Informatik. Unter dem Namen „Precobs“ (Pre Crime Observation System) vermarktet das IfmPt eine Prognose-Software, die Polizeibehörden für operative und präventive Zwecke verwenden können. In einem Zürcher Pilotversuch waren 86 Prozent der Prognosen zutreffend. Gleichzeitig gingen die Einbruchsfälle in Zürich in einem halben Jahr um knapp 40 Prozent zurück. Auch Nürnberg testet die Software seit vergangenem Oktober.

Ermittler und Entwickler machen sich dabei vor allem die wissenschaftliche Erkenntnis zunutze, dass geografische Bezirke, in denen ein Einbruch erfolgt ist, häufig in kurzer Zeit und im direkten Umfeld mit Folgedelikten rechnen müssen. „Der Täter kehrt an Tatorte zurück, wo er sich auskennt, wo etwas zu holen ist, wo er die Fluchtwege kennt und wo er Erfolg hatte“, erklärt Karl Geyer, leitender Kriminaldirektor in Nürnberg. „Profis wägen Risiken und Nutzen ab – und wenn ein Tatort gut erscheint, kommen sie wieder.“ Diese sogenannte Near Repeat Prediction Method ist Bestandteil von Precobs.

„Keine personenbezogenen Daten“

Künftig wollen deutsche Sicherheitsbehörden verstärkt auf computergenerierte Prognosen setzen, um Verbrecher zu bekämpfen. Der bundesweite Anstieg von Einbrüchen zwingt die Ermittler zum Handeln. Laut einem Spiegel-Bericht treffen sechs Bundesländer Vorbereitungen dafür, die Polizei mit Predictive-Policing-Software auszurüsten. Neben Bayern bereiten demnach Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Baden-Württemberg, Brandenburg und Berlin den Einsatz solcher Vorhersageprogramme vor.

Datengrundlage seien „polizeiliche allgemeine Lageinformationen“, die mit externen Angaben für die Analyse gekoppelt werden, erklärt Uwe Jacob, Direktor des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen. Darunter versteht er beispielsweise „Wetterdaten, sozioökonomische Daten, Verkehrsdaten oder Informationen zur Bebauungs- und Besiedlungsstruktur“. Der LKA-Chef versichert: „Es werden keine personenbezogenen Daten genutzt“. Vom Tisch könnten damit ursprüngliche Pläne sein, auch soziale Netzwerke oder Kfz-Register anzuzapfen. Auch sein bayerischer Kollege Geyer sieht mit dem Datenschutz keine Probleme: „Es werden nur anonymisierte Daten erfasst – also weder Opfer- noch Täterdaten.“ Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz, Thomas Petri, will die Software trotzdem genauer untersuchen. „Wir werden uns die Systemdokumentation vorlegen lassen, das überprüfen und dann eine erste Einschätzung abgeben“, sagt Petri.

Medien bemühen indes vielfach die Vision des Science-Fiction-Films Minority Report. Im Mittelpunkt steht der von Tom Cruise gespielte Ermittler John Anderton. Er arbeitet für die Abteilung Precrime der Washingtoner Polizei, die mittels Präkognition Morde verhindern soll. Es stellt sich heraus, dass das System fehlerhaft arbeitet und Täter zu Unrecht beschuldigt.

Skepsis sei bei neuen digitalen Ermittlungswerkzeugen immer angebracht, sagt Datenschutz-Aktivist Matthias Monroy. „Die Erfahrung hat gezeigt, dass sie immer aufgebohrt und erweitert werden, wenn es sie erst einmal gibt.“