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Ein bisher unbekanntes Gemälde von Rembrandt von Rijn ist aufgetaucht! Oder auch nicht: Denn ein Team aus Amsterdam hat jetzt einem Computer beigebracht, genau so zu malen wie der große Meister aus dem 17. Jahrhundert. Herausgekommen ist das völlig neue Bild „The Next Rembrandt“.

Innerhalb von eineinhalb Jahren hat es die künstliche Intelligenz geschafft, wie Rembrandt zu denken. Dafür hat das Team aus Programmierern und Werbe-Leuten mit Wissenschaftlern der Technischen Uni Delft und KI-Experten von Microsoft 346 Gemälde des Künstlers durch den Computer studieren lassen. Allein die Bilddaten beliefen sich auf etwa 150 Gigabyte. Der Rechner kam zu dem Schluss: Ein typischer Rembrandt zeigt einen kaukasischen Mann zwischen 30 und 40 Jahren, der neben einem auffälligen weißen Kragen und dunkler Kleidung auch einen Hut und Bart trägt und nach rechts schaut.

Mann mit Hut in 13 Schichten

Da das neue Gemälde keine Kopie, sondern wirklich von Grund auf neu erschaffen werden sollte, verglich ein Algorithmus selbst kleinste Details der alten Bilder. Wie hat Rembrandt Augen gemalt? Wie Nase, Mund und Hut? Der neue digitale Rembrandt besteht nun aus einer Summe all dieser Informationen. Daraus generiert die künstliche Intelligenz den neuen Menschen auf dem Portrait.

Doch das reicht nicht. Es wäre nur zweidimensional und würde aussehen wie ein Foto eines Gemäldes. Um auch die dreidimensionalen Eigenschaften, wie zum Beispiel die Oberfläche der Leinwand oder die Dicke der Farbschichten zu ermitteln, hat das Team einen Höhenalgorithmus entwickelt. Damit haben sie die 346 Rembrandt-Werke ebenfalls gescannt. Am Ende wurde das neue „Gemälde“ mit einem speziellen 3D-Drucker und UV-Tinte in 13 Schichten so auf eine Kunststoffunterlage gedruckt, dass auch hier der Effekt von Öl-Farben entsteht, die übereinander auf einer Leinwand liegen.

Ausstrahlung der Vorbilder

Insgesamt ist dieses Bild viel mehr als eine Stilkopie. Würde das gedruckte Gemälde in einem Museum zwischen anderen Rembrandt-Bildern hängen, könnten Laien den Unterschied sicherlich nicht erkennen. „The Next Rembrandt“ hat die selbe Ausstrahlung wie die Werke des großen Meisters. Doch Kunsthistoriker wie der Rembrandt-Experte Ernst van de Wetering findet sofort Fehler. Rembrandt habe immer einen kleinen Lichtpunkt auf der Nasenspitze seiner Portraits untergebracht, damit diese an Plastizität gewinnt, sagt er beim Betrachten.

Diese Details wurden im späteren Leben Rembrandts immer komplizierter. Aus diesem Grund haben die Wissenschaftler auch ein Gemälde entstehen lassen, dass sich in seine Werke der 1630er Jahre einordnen könnte. Van de Weterings Fazit fällt dadurch vernichtend aus: „Absolute Scheiße“, sagt er. Es sei eine Frechheit, den Ruhm Rembrandts für so ein Projekt zu missbrauchen. Neben der Nasenspitze hätten die Wissenschaftler auch noch den Tränenfilm vergessen, der jedem Auge seinen Glanz gibt. Auch wenn die Kritik hart erscheint, ist sie durchaus als positiv zu sehen. Denn damit haben die Wissenschaftler bewiesen, dass ein Computer nun auch in der Lage ist, nicht nur Emotionen zu scannen und wiederzugeben, sondern sie auch auszulösen.

Fotos als Kunstgemälde für zu Hause

Zwar nicht als 3D-Gemälde aber immerhin als neues Foto in einem bestimmten Kunststil kann sich jeder ein Bild an die Wand hängen. Ein ähnlicher Kunstanalyse-Algorithmus wird kostenlos von der Website Deepart.io zur Verfügung gestellt. Hier lädt der Nutzer beispielsweise ein Urlaubsfoto und ein Bild eines berühmten Malers hoch und lässt die künstliche Intelligenz arbeiten. Sobald das Bild fertig generiert wurde, bekommt man es an die angegebene E-Mail-Adresse gesendet.

Der Algorithmus ist eine Kooperationsarbeit von fünf Forschern vom Bethge lab der Universität Tübingen, des CHILI Lab am École polytechnique fédérale de Lausanne (Schweiz) und der Université catholique de Louvain (Belgien). Für das gewünschte Ergebnis braucht Deepart eigentlich nur zehn Minuten, bei unserem Test hatten wir aber eine Wartezeit von etwa drei Tagen. Wer das Ergebnis schneller sehen will, muss 1,99 Euro bezahlen. Dann soll das Bild priorisiert behandelt werden und schon nach 15 Minuten im Posteingang landen.

Die fünf Gründer im Deepart-Stil: vomMatthias Bethge Alex Ecker Leon Gatys Łukasz Kidziński Michał Warchoł
Die fünf Gründer im Deepart-Stil: Matthias Bethge, Alex Ecker, Leon Gatys, Łukasz Kidziński und Michał Warchoł