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Wie jedes Jahr zur Fußball-EM wird getippt, gewettet und gesammelt. Wer den Pott aber in die Höhe halten darf, entscheidet sich erst am 10. Juli 2016, wenn nach insgesamt 50 Spielen mit 24 Teams nur noch die Finalisten auf dem Rasen gegeneinander antreten. Doch wie wäre es, wenn es ein Algorithmus geben würde, mit dem errechnet werden kann, wer den EM-Titel holt? Forscher des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben, wie aus einer Mitteilung hervorgeht schon jetzt errechnet, welche Taktik Erfolg versprechend ist und wer somit die größte Chance auf die Europameisterschaft hat.

Neue Fußballregeln führen zu neuen Aufstellungen

„Der Begriff Spielsystem trifft das heutige Geschehen auf dem Platz nicht mehr genau“, findet Sportwissenschaftler Dr. Dietmar Blicker vom KIT. Seine Arbeitsgruppe erstellt Spielanalysen unter anderem für den Karlsruher SC und untersucht die taktische Entwicklung im Fußball. „Während früher 90 Minuten „4-4-2“ oder „5-3-2“ gespielt wurde, ist das moderne Spiel viel flexibler geworden.“ Statt in Systemen wird in „Spielprinzipien“ festgelegt, welcher Spieler sich in welchen Situationen wie verhalten soll. Die taktische Schulung der Spieler steht also immer mehr im Mittelpunkt. „Auf dem Platz müssen Spieler selbstständig erkennen können, ob sie nun in der Rolle eines Innen- oder Außenverteidigers gebraucht werden.“

Zu den neuen Fußballregeln, die ab dem 1. Juni und somit auch schon zur EM gelten, sagt Blicker: „Die Änderungen sind großenteils nicht dramatisch, können aber im Einzelfall vielleicht zu spannenden taktischen Weiterentwicklungen des Spiels führen.“ So darf der Anstoß nun auch direkt nach hinten gespielt werden, und eine „Angriffsmauer“ zur Sichtbehinderung des Torwarts wird verboten.

Wer wird Europameister 2016?

„Die gute Nachricht: Mit 94,3-prozentiger Wahrscheinlichkeit übersteht die deutsche Fußballnationalmannschaft die Gruppenphase und erreicht das Achtelfinale“, sagt Professor Michael Feindt vom KIT. „Allerdings liegt die Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland Europameister wird bei unter zehn Prozent.“

Bessere Chancen haben Frankreich (34,4 %), Spanien (17,5 %) und England (11,3 %). Feindt ist Experte für die Analyse großer Datenmengen. Die von ihm gegründete Firma Blue Yonder entwickelt Vorhersage-Software und unterstützt Handelsunternehmen mit datenbasierten Entscheidungen bei der Planung von Lagerbeständen und der dynamischen Preisgestaltung. Die Vorhersage-Software nutzt selbstlernende Neuronale Netze, erkennt in großen Datenmengen Muster und Zusammenhänge und erstellt daraus Prognosen. Ursprünglich wurde sie für die Anwendung in der Elementarteilchenphysik am CERN entwickelt, wo sie erfolgreich unter tausenden Teilchen die wenigen wissenschaftlich relevanten entdeckt.

Für die Prognose der Europameisterschaft wurden die Algorithmen angepasst und mit den Ergebnissen aller rund 36.000 seit 1873 ausgetragenen offiziellen Länderspiele gefüttert. Natürlich entscheiden viele Unwägbarkeiten den Turnierverlauf, etwa Wetter, Verletzungen und Fehlentscheidungen. „Dennoch können wir über unsere Algorithmen für jedes Team die Wahrscheinlichkeit vorhersagen, dass es am 10. Juli in Paris als Sieger den Platz verlassen wird“, so Michael Feindt. „Aber wir drücken unseren Jungs die Daumen – trotzdem!“

Fußball-Stickerheft: Besser Tauschen, als Kaufen

„Um das Fußball-Sammelbildalbum zur Europameisterschaft zu vervollständigen, braucht es eigentlich nur 680 verschiedene Sticker, also 136 Tütchen mit je 5 Sticker im Gesamtwert von rund 100 Euro,“ weiß Mathematiker Professor Norbert Henze vom KIT. „Doch da die Sticker nach dem Zufallsprinzip eingetütet und verkauft werden, steigt der finanzielle Aufwand enorm, wenn man sich sein komplettes Album „erkaufen“ wollen würde.“ Man müsste ca. 4685 (5280/5965/6455) Sticker kaufen, damit man eine 50 (75/90/99)-prozentige Chance auf ein komplettes Album hat, und somit rund 650 bis 900 Euro investieren. „Mein Tipp als Statistiker ist es also, sich mit möglichst vielen Sammlern zu vernetzen und fehlende Sticker untereinander einzutauschen. Das ist deutlich günstiger.“

Quelle: KIT