Lesedauer ca. 3 Minuten

Wir shoppen online, wir lieben online und auch die politische Teilhabe läuft im Internet ab: Man unterschreibt Petitionen und startet nebenbei mal eine Kampagne auf Twitter. Demokratie geht also digital –mit einer Ausnahme: Wahlen.

Wahlen finden bisher mit Blatt und Papier statt – entweder per Briefwahl oder an einem Sonntag in einer Kabine in einer Grundschule oder Kirche. Wird es immer so bleiben oder kann man den demokratischen Prozess digitalisieren und sogar online wählen?

In Vereinen und Unternehmen auf dem Vormarsch, in der Politik hinterher

In den politischen Wahlen gab es immer wieder Vorstöße die Wahlen zumindest teilweise zu automatisieren und zu digitalisieren. So gab es bei der Bundestagswahl 2005 in einigen Wahlkabinen einen Wahlcomputer, bei dem man per Knopfdruck für seine Partei stimmen konnte. Es war deutschlandweit der erste Versuch einer ansatzweise automatisierten Wahl und es bleibt wohl vorerst auch der letzte.

Die Vorteile schienen erst einmal ganz deutlich zu sein: Die Ergebnisse müssen nicht von Hand ausgezählt werden, das Wahlergebnis steht bereits am Ende des Tages fest.

Doch das Bundesverfassungsgericht hat den Einsatz für verfassungswidrig erklärt. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass die allgemeinen Wahlgrundsätze (allgemein, öffentlich, geheim, frei, unmittelbar) nicht gewährleistet wurden. Vor allem das Prinzip der Öffentlichkeit würde unter dem Einsatz von Wahlcomputern leiden.

Der Wähler kann nämlich nicht sichergehen, dass seine Stimme wirklich im Wahlcomputer so angekommen ist, wie er sie eingetippt hat. Er kann auch nicht Zeuge einer Auszählung sein. Alles passiert im Chip und der Wähler hat keinen Zugriff mehr darauf.

Ein weiteres Problem ist, dass die Maschinen sich als manipulationsanfällig erwiesen haben, wie der Chaos Computer Club gezeigt hat. Deswegen ist der Einsatz von Wahlcomputer nicht mehr erlaubt – wenn auch nicht grundsätzlich verboten. Gäbe es eine Nachjustierung in Sachen der Sicherheit und der Öffentlichkeit, könnten vielleicht irgendwann wieder Wahlmaschinen in den Kabinen stehen.

Wenn auch Wahlcomputer nicht mit Onlinewahlen gleichzusetzen sind, (für das eine muss man trotzdem vor Ort sein, das zweite macht den Wähler ortsunabhängig) gelten die Einschränkungen in politischen Wahlen auch für die Onlinewahl. Sie sind für politische Wahlen nicht erlaubt, bis alle Kritikpunkte nachgebessert werden.

Doch es wird online gewählt – überall und auch immer mehr. Wie ist das möglich?

Es gibt nicht nur Wahlen auf politischer Ebene. Auch Unternehmen, Kirchen, Hochschulen und Vereine müssen regelmäßig wählen – Vertreter, ein Studienparlament, Betriebsräte. Diese können die Mitglieder auch online wählen. Sie haben nämlich die Möglichkeit ihre Satzung dahingehend zu ändern und Online-Wahlen zu erlauben. Viele haben positive Erfahrungen gemacht, einige sind zurück zur Präsenzwahl gegangen.

Einige dieser Online-Wahlen wurden von den Unternehmen selbst programmiert, doch es gibt auch einen wachsenden Markt an Unternehmen, die die Software dafür bereitstellt. Eines davon hat seinen Sitz in Deutschland: Polyas GmbH. Seit deren Gründung 2012 wurden nach eigenen Angaben mehr als 100 Wahlen durchgeführt und auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik hat die Software zertifiziert.

Könnte das die Zukunft der Partizipation sein? Vielleicht. Es könnte die Wahlbeteiligung steigern und die Teilhabe an der Demokratie in Deutschland zumindest deutlich vereinfachen. Es könnten sogar einfacher und kostengünstiger mehr Wahlen stattfinden, weil man eben nicht noch Helfer, Material und Räume organisieren müsste. Man darf sich diesen Vorteilen der digitalen Demokratie nicht verschließen.

Ein Allheilmittel für alle Knackpunkte der Demokratie?

Genauso wenig sollte man allerdings blindlings nur noch auf Online-Wahlen – als einzige Möglichkeit – hoffen. Es ist kein Allheilmittel für alle Knackpunkte der Demokratie.
Vielmehr sollten diese Wahlen als ernsthafte Alternative diskutiert werden und die Sicherheitsaspekte, genau wie die Einhaltung der Wahlprinzipien eingehend überprüft und sichergestellt.

Wir sollten uns auch dafür viel Zeit lassen, um sicherzugehen. Aber wir sollten es überhaupt mal wieder versuchen, dass wir unsere Demokratie von unserem Laptop aus gestalten können.