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Eine der Besonderheiten digitaler Geschäftsmodelle ist, dass man alles zu jedem Zeitpunkt an jeder Stelle messen und analysieren kann. Dem Grundsatz folgend, dass der Mensch nicht nur Gutes tun, sondern auch darüber reden soll, wird der digitale Raum sodann mit allseits bekannten Kennzahlen geflutet: Likes, Fans, Follower, YouTube-Abrufe, Pageviews – alles wird stolz vorgezeigt, nicht nur von A-, B- und Celebrities sondern auch von ernsthaften Internetunternehmen.

Glaube keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast

Nicht umsonst sind solche Zahlen bei Webexperten als „Vanity Metrics“ gebrandmarkt, die Kennzahlen der Eitelkeit. 5.000 Follower oder 100.000 Page Views klingen für ein Twitter-Account, eine Facebookseite oder eine Kampagne ja auch eindrucksvoll. Wie immer gilt aber der Winston Churchill zugeschriebene Spruch „Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“.

Dementsprechend werden nur diejenigen Zahlen und Zeiträume, Wachstumsraten und Referenzgrößen ausgewählt, die so gut aussehen, wie das gephotoshoppte (mein Deutschlehrer flippt aus) Profilbild. Und praktisch alle Vanity Metrics können durch Kampagnen oder schlichten Kauf in fernen Ländern vorteilhaft gestaltet werden. Alles eine Frage des Geldes beziehungsweise der Kreativität der Social Media Manager.

Spieglein, Spieglein an der Wand, wer hat die besten Zahlen…

Warum sind Vanity Metrics dennoch so populär? Da ist natürlich die Einfachheit und Nachvollziehbarkeit zu nennen. Die Zahlen der Fans und Follower stehen offen abrufbar auf allen Profilen und tragen zur Außenwirkung einer Person oder eines Unternehmens bei. Jeder hat einen Vergleich zu sich selbst und anderen und es gibt keinen großen Erkärungsbedarf. Und sie beeindrucken – hoffentlich – das Publikum, den Wettbewerb und die Kunden.

Für viele dieser Kennzahlen gilt also der Pokerspruch für das Anfangsblatt „As und König“, genannt „AK“, nach der Tennisspielerin Anna Kournikova – „Sieht gut aus, gewinnt aber nichts“. Dafür verraten sie aber auch keine Geheimnisse, weder nach innen als nach außen. Etwas aussagefähigere Zahlen wie Unique User, Click Throughs oder Umsatz je Kunde/Session lassen meist zu viele Rückschlüsse über z.B. über das Geschäftsmodell zu.

Likes don’t pay the bills. Sales do.

Oft ist es auch einfach zu kompliziert – oder zu frustrierend, zu berechnen, wie viele Neukunden oder Mailinglistenabonnenten man am Ende bekommen hat. Mit hoher Sicherheit werten die Social Media Manager die wirklich aussagefähigen Daten mit Akribie aus, die Kunst liegt aber vor allem im kreativen Weglassen von Detaildaten und Bezugsgrößen, die den Rest plötzlich sensationell aussehen lassen.

Es wird gezeigt, was das Publikum versteht und bewerten kann. Und so geht die Energie auf größeren Webseiten weiter in sinnlose Klickstrecken für Inhalte, die mit der Anzahl ihrer Seitenaufrufe Werbekunden locken wollen. Das hat web.de schon vor 15 Jahren mit Gewinnspielen wie „Millionenklick“ gemacht und es scheint bei Werbekunden immer noch zu funktionieren, trotz inflationierter Tausender-Kontakt-Preise und Werbeinventory zum „Schweine füttern“.

Ist das relevant oder kann das weg?

In der Außenkommunikation ist der schöne Schein der populären Metriken letztlich verständlich, aber was wirklich zählt, sind Interaktion und nachhaltige Bindung von echten Fans, denn nur die sind potenzielle Kunden, transportieren die Marke und Teile einer virtuellen Community. Nur das lohnt den Aufwand von Social Media, auch wenn es ganz ohne Vanity Metrics im Endkonsumentengeschäft niemals gehen wird.

Die Zahlen der Eitelkeit sollten jedoch immer nur einen Teil der „Erfolgsmessung“ darstellen: Einen, an dem man schon wegen der repräsentativen Außenwirkung regelmäßig arbeitet – ohne sich darauf zu verlassen. Die Energie muss sich auf Kennzahlen richten, die helfen, die wirklich wichtigen Entscheidungen zu treffen.

SaaS Metrics – ein Feld für Spezialisten

Wie das funktioniert, kann man bei einer Vielzahl von SaaS-Unternehmen beobachten. B2B-Anbieter sind in der Regel weniger den Gesetzen der Medien und Kommunikation unterworfen. Entsprechend hat sich hier ein aussagefähiges System von KPIs – Key Performance Indicators – herausgebildet. Eitelkeiten gibt es auch hier, die beziehen sich jedoch eher auf das Wissen um die Bedeutung der kryptischen Abkürzungen und deren Beziehung zueinander.

MRR (Monthly Recurring Revenue), ARR (Annual Recurring Revenue), CAC (Customer Acquistion Costs) und CLTV (Customer Lifetime Value) mit allfälligen Ableitungen sind die Währung in dieser Branche mit denen Erfolg und Zukunftschancen gehandelt werden. Wer sich da nicht auskennt, gehört nicht dazu.

Das ist im SaaS-Speak wie in in jeder Fachsprache. Und wie in jeder lebenden Sprache werden immer neue Begriffe erfunden, die fundierte Kenntnis oder auch nur große Kreativität versprechen. Mein persönlicher Favorit ist bei den Neukreationen die „Magic Number“. Die wurde erfunden und getauft von einem bekannten Venture Capitalist aus dem Silicon Valley, der damit über eine komplizierte Formel eine Aussage über die Effizienz des Marktings eine SaaS-Unternehmens machen will: (New MRR Q2 – New MRR Q1)/Marketing und Vertriebskosten Q1 >1 ist prima. Es ist alles Zauberei!