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Drahtlose Neuro-Headsets ermöglichen, mit bloßen Gedanken Gegenstände zu steuern. Eine neue Generation von Wearables kündigt von einer Zukunft, in der Hirn-Computer-Schnittstellen Teil unseres Alltags sind. Ein Überblick.

Geht es nach Unternehmen wie Emotiv, Neurosky oder Neurowear bewahrheitet sich bald wieder eine Science-Fiction-Vision. Wir beherrschen dann mühelos den Jedi-Gedankentrick, den der junge Luke Skywalker in „Star Wars Episode V: Das Imperium schlägt zurück“ in den Sümpfen des Planeten Dagobah nur unter großen Anstrengungen erlernt hat. Im Gegensatz zum ungeduldigen Helden des Filmepos benötigen wir dazu nicht „The Force“, sondern ein modisches Stirnband.

Einen Ausblick auf die Möglichkeiten von telepathischer Technik, die auf oder um den Kopf getragen werden, gaben bei der CES in Las Vegas gleich zwei der genannten Firmen. Das Startup MyBrain Technologies feierte mit dem Melomind Premiere. Das Gerät sieht aus, wie man sich die Krone einer Elfenkönigin vorstellt. Es soll die Gehirnaktivität registrieren und über eine Smartphone-App mentalen Stress reduzieren und zur Entspannung beitragen. Auf den Markt kommt das Gadget im September dieses Jahres zu einem Preis von 300 US-Dollar. Das Bioinformatik-Unternehmen Emotiv dagegen ließ bei der CES Journalisten gegeneinander antreten und mit dem Headset Insight und der Kraft ihrer Gehirnströme, Spielzeugautos zu steuern.

Solche Produkte, die als „EEG headset“, „brainwear“, „mindwear“ oder „telepathic tech“ firmieren, basieren allesamt auf einer Technik, die bislang fast ausnahmslos der Medizin vorbehalten war und die wir von neurologischen Untersuchungen oder aus dem Schlaflabor kennen. Ganz im Trend des „quantified self“, bei dem über Tracker, Armbänder oder Funktionskleidung Vitalwerte wie Puls oder Aktivitätsparameter gemessen werden, erfassen die Neuro-Headsets die elektrische Aktivität unseres Gehirns mithilfe zweier Messverfahren: der Elektroenzephalografie (EEG) und der Elektromyografie (EMG). Die Gründerin und Geschäftsführerin von Emotiv Lifesciences, Tan Le, spricht sogar von einer Demokratisierung der Gehirnforschung.

„Zukünftig werden Daten über unsere geistige und emotionale Verfassung eine grundlegende Komponente von Big Data und mobiler Gesundheit“, prophezeit Greg Hyver von NeuroSky im Interview mit IDG connect. „Auf die gleiche Weise, wie Aktivitäts-Tracker Daten sammeln, analysieren und Empfehlungen zur körperlichen Fitness geben, werden EEG-Geräte zur mentalen Gesundheit beitragen.“ Neben Emotiv gehört das Unternehmen Neurosky zu den Playern im Konsumentenmarkt für Biosensoren und EEG-Geräte.

Einsatz in Computerspielen und im Marketing

Einfache Telepathik-Spielzeuge, wie Mindflex von Mattel oder der ebenfalls zur CES vorgestellte Star Wars Force Trainer II sowie das Necomimi der Gadget-Werkstatt Neurowear arbeiten mit dem Mindwave-Sensor von NeuroSky. Hyver selbst lobt vor allem das Projekt MindRider, „bei dem die Technik in Fahrradhelme integriert wird, um die mentalen Aktivitäten von Radfahrern in Manhattan zu messen und so die entspannten Strecken zu kartographieren“.

Auch in Deutschland erforschen Wissenschaftler die Nützlichkeit der telepathischen Technik im Alltag: Das Berlin Brain-Computer-Interface arbeitet beispielsweise an einer Lösung, bei der auf Grundlage der Gehirnströme von Autofahrern der Bremsvorgang unterstützt wird. Und ein von Gordon Cheng, Professor an der TU München, mitentwickeltes System zeichnet die elektrische Hirnaktivität eines Patienten auf, erkennt so dessen Bewegungsabsicht und lässt diese dann von einem Exoskelett umsetzen.

Neben Gesundheit und Wellness wird die Technik aktuell noch vor allem für das Marketing oder im Bereich Computerspiele eingesetzt. Emotiv brachte bereits Ende des Jahres 2009 mit dem EPOC einen Videospiel-Controller auf den Markt, der das sogenannte Neurogaming ermöglicht. Mit dem aus 14 Eletroden bestehenden Gerät steuern Spieler mit Gedanken, Stimmungen und Mimik das Videospiel. Das gelingt selbstverständlich nicht auf Anhieb, sondern wird vorab trainiert. Mittlerweile zielt Emotiv mit den aktuellen Modellen EPOC (400 US-Dollar) und EPOC+ (500 US-Dollar) auf Geschäftskunden aus der Marktforschung.

Die bisherige Entwicklung zeigt: Die Technik bietet zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten – vom Spielzeug über Gesundheitsüberwachung bis hin zur Erleichterung alltäglicher Prozesse über die Anbindung an das Internet der Dinge. Auch in Hinblick auf Nutzerfreundlichkeit und Design hat sich viel getan. So ist es beispielsweise bei Headsets mit komplexeren Algorithmen mittlerweile nicht mehr notwendig, die Elektroden vor dem Tragen mit Gel zu beträufeln, um optimale Leitfähigkeit zu erreichen. Bogdan Mijović, Mitgründer von mBrainTrain, schätzt, dass bis zum Jahr 2020 gut funktionierende Gadgets für den Alltag auf den Markt kommen.