Lesedauer ca. 4 Minuten

Noch ist die gute alte LAN-Verbindung dem drahtlosen Surfvergnügen in Sachen Geschwindigkeit und Verfügbarkeit überlegen. Mit einem neuen Standard will Samsung das WLAN Gigabit-fähig machen.

In den meisten Haushalten dürften WLAN-Router nach dem Standard 802.11b/g funken. Die kryptische Beschreibung setzt sich aus zwei Teilen zusammen: Aus der Ziffernkombination 802.11, die den Ethernet-basierten Drahtlos-Standard des Institute of Electrical and Electronics Engineers, kurz IEEE, beschreibt und den beiden nachfolgenden Buchstaben, die die Version konkretisieren. Die oben genannten Standards ermöglichen unter optimalen Gegebenheiten Übertragungsgeschwindigkeiten – also bei Sichtkontakt zum Router und Verwendung des WLAN-Zugangspunktes von nur einem Gerät – von bis zu 54 Megabit pro Sekunde (Mbit/s). Deutlich schneller funkt 802.11n, das Daten mit einer Geschwindigkeit zwischen 150 Mbit/s und 600 Mbit/s verschickt. Nicht nur mit maximal 1.300 Mbit/s deutlich schneller, sondern aufgrund der noch geringen Verbreitung des 5-GHz-Bandes statt 2,4 GHz auch weniger störanfällig ist 802.11ac.

Doch selbst dieser Standard, der eine vergleichbare Geschwindigkeit wie das drahtgebundene Gigabit-Ethernet ermöglicht, ist dem koreanischen Elektronik-Giganten Samsung sowie den Kollegen der Wi-Fi-Alliance zu langsam. Satte 4.600 Mbit/s oder umgerechnet 575 Megabyte pro Sekunde soll 802.11ad bringen. Eine hochauflösender Film wäre damit innerhalb weniger Sekunden zwischen zwei Rechnern übertragen. Die Vorteile des neuen Standards klingen nach einem Traum für Tempofanatiker, doch ganz so einfach ist die neue Technik nicht zu handhaben.

Nachfolger mit Vorteilen und Hindernissen

Wie Samsung auf seinem offiziellem Blog Samsung Tomorrow schreibt, will man 802.11ad im 60-Gigahertz-Band verwenden. Anders als bei den bisherigen 2,4-GHz- und 5-GHz-Frequenzen sollen sich bei dem neuen WLAN-Standard Kanäle nicht gegenseitig stören – ein Effekt, der bei der Verwendung mehrerer WLAN-Geräte auftreten kann. Die theoretische Geschwindigkeit ließe sich dadurch auch in der Praxis erreichen. Die hohe Frequenz sorgt allerdings im gleichen Atemzug für ein neues, unter Umständen sogar schwerwiegenderes Problem: Mit Wänden oder anderen Objekten, die zwischen WLAN-Basisstation und WLAN-Gerät liegen, haben Millimeter-Wellen, wie diese aufgrund ihrer Wellenlänge von eins bis zehn Millimeter genannt werden, große Schwierigkeiten. Demnach müsste in jedem Raum an der Decke eine WLAN-Basisstation hängen, die Sichtkontakt mit dem Smartphone oder Laptop garantiert – eine nicht gerade praktikable Lösung.

Das Dilemma lässt sich laut Samsung jedoch mit einigen technischen Kniffen lösen. Die spezielle Konstruktion der Leiterplatine, die Verwendung von Hochleistungskomponenten sowie ein Antennen-Design, das in der Lage ist Wi-Fi-Signale gebündelt auszustrahlen, könnten den kommerziellen Einsatz des neuen Standards auch durch Wände ermöglichen. Mehrere Geräte will Samsung mit einer ständigen und nur etwa 1/3.000 Sekunde dauernden Neuausrichtung des gebündelten WLAN-Drahtlossignals in das Gigabit-WLAN einbinden.

Zwar erfordert die Verwendung des Bereiches zwischen 57 GHz und 64 GHz keine Lizenzen, die Sendeleistung ist aber fast weltweit auf 40 dBm begrenzt. Samsung nicht das einzige Unternehmen, dass Daten mit 60 GHz verschicken will. Auch andere Unternehmen forschen an Anwendungsszenarien. Ein Dilemma, das aus Anwendersicht noch vor der Veröffentlichung durch einen einheitlichen Standard und gegenseitige Absprachen gelöst wird.

Vom Drahtlos-Display bis Weltraumforschung

Da ist zum einen das WirelessHD Consortium, zu dem auch Intel, Sony, LG Electronics, Panasonic und Philips gehören. Die Elektronik-Riesen setzen mit WiHD auf das 60-GHz-Band zur Übertragung von Full-HD-Videosignalen für „perfekte Videoqualität und Spiele ohne Verzögerung“.

LG Electronics, Panasonic und Samsung sind zusammen mit Dell, Intel, Microsoft, Nvidia und anderen Partnern aber auch in der WiGig Alliance – seit 2013 eine Untergruppe der Wi-Fi Alliance – die mithilfe der kurzen Wellen schnelle DisplayPorts in einer Drahtlos-Variante entwickeln.

In Europa arbeitet hingegen das European Telecommunications Standards Institute (ETSI) am Multiple Gigabit Wireless System (MGWS) für den Heimanwendungsbereich, während die hiesige Bundesnetzagentur die Verwendung des 60-GHz-Bandes für Weltraumforschungsfunk und Funk zwischen Satelliten plant.

AVM verspricht schon kurzfristig bessere Übertragungsraten

Dass 802.11ad unter optimalen Bedingungen riesige Geschwindigkeitsvorteile ermöglicht, ist unbestritten. Um in den Genuss des Gigabit-WLAN zu kommen, gilt es aber nicht nur WLAN-Basisstation auszutauschen, sondern auch die empfangenden Geräte. Der Deutsche Netzwerkspezialist AVM plant aus diesem Grund eine Alternative, das es mehreren Anwendern gleichzeitig ermöglichen soll, mit hoher Geschwindigkeit drahtlos zu surfen.

Zumindest in Objekten, wo mehrere Geräte gleichzeitig mit der WLAN-Basisstation verbunden sind, entsteht das Problem, dass im Falle von MIMO (Multiple In, Multiple Out) – einer Technik die mehrere Antennen für mehr Sendeleistung bieten – trotzdem nur ein Gerät gleichzeitig empfangen und versenden kann. Bei mehreren Geräten wechselt die Basisstation im Millisekundentakt ständig zwischen den WLAN-Geräten hin und her und ermöglicht so allen Benutzern die Netzwerkverbindung, allerdings nur zu einer spürbar begrenzten Datenübertragungsrate.

AVM MU MIMO
MU-MIMO kann eine bis zu drei mal so hohe Datenrate erreichen. (Bild: AVM)

AVM hat dieses Problem durch den Einsatz mehrerer Kanäle gelöst. Die Folge ist eine bis zu drei mal so hohe Datenrate als bei einem normalen WLAN-Zugangspunkt. Ein weiterer Vorteil von 802.11.ac Wave 2 in Kombination mit AVMs Multiple User MIMO (MU-MIMO) gegenüber 802.11ad: Auch ältere Geräte profitieren von der Geschwindigkeit – und nicht nur die neuesten Smartphones, Tablets und Notebooks.