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Prof. Dr. Michael Woywode vom Institut für Mittelstandsforschung an der Universität Mannheim über die Ökonomie des Teilens, die digitale Transformation und die Auswirkungen der Share Economy auf den deutschen Mittelstand und die Gesellschaft.

Das Prinzip des Teilens ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst. Warum erlebt es gerade jetzt eine derartige Renaissance? Ein Ergebnis der Digitalisierung?

Ja, das stimmt, die Ideen des Teilens und der gemeinschaftlichen Nutzung sind nicht neu. Neu ist, dass dies zunehmend zwischen Fremden geschieht und dabei eine größere Vielfalt an Ressourcen geteilt wird. Die Digitalisierung spielt hier sicher in mehrerer Hinsicht eine wichtige Rolle: Digitale Plattformen erleichtern die Organisation und die Durchführung des Teilens und die Abwicklung der Transaktionen. Soziale Medien tragen dazu bei, dass eine Form von Vertrauen aufgebaut werden kann zu Personen und Diensten, die man nicht kennt. Zunehmend geht es auch um das Teilen von virtuellen Produkten und Dienstleistungen.

Neben der Digitalisierung sind weitere Faktoren wie gesellschaftlicher Wertewandel von Bedeutung: Für viele wird es immer wichtiger, flexiblen Zugang zu Ressourcen zu haben, als diese zu besitzen. Auch Themen wie Nachhaltigkeit und Flexibilisierung der Arbeit spielen eine Rolle.

Der Grundgedanke hinter der Share Economy ist äußerst lobenswert. Gleichzeitig scheint es so, als profitierten vor allem die großen Plattformbetreiber und weniger die Gemeinschaft. Wie fair ist die Share Economy wirklich?

Die Share Economy ist nicht per se fair oder unfair. Grundsätzlich können Sharing Plattformen Privatpersonen oder KMU den Zugang zu Ressourcen ermöglichen, die sie sich sonst nicht leisten könnten. Davon profitieren nicht nur die Plattformen. Die Größe einer Plattform kann dabei sogar vorteilhaft sein, da häufig eine kritische Masse notwendig ist, damit Sharing überhaupt funktioniert. Das kann aber zu Lasten etablierter Organisationen gehen, die etwa vergleichbare Leistungen zu höheren Preisen anbieten. Und zwar dann, wenn sich die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen, unter denen etablierte Organisationen und neue Sharing Organisationen agieren , dauerhaft unterscheiden.

Im Moment sind viele Bereiche der Share Economy nicht reguliert. Auch ist noch offen, welche Geschäftsmodelle der Share Economy sich durchsetzen werden – die Share Economy besteht nicht nur aus den großen Plattformen.

Sind Vorzeigeprojekte mit echtem gesellschaftlichem Nutzen vor allem im Non-Profit-Bereich und in der Subkultur zu finden?

Das denke ich nicht. Auch gewinnorientierte Sharing Organisationen können einen gesellschaftlichen Beitrag leisten. Gewinnorientierung sollte im Kontext der Share Economy nicht mit Schlagwörtern wie prekärer Arbeit oder Zweckentfremdung von Wohnraum gleichgesetzt werden. Ökonomische, ökologische und soziale Ziele stehen nicht zwingend im Widerspruch und intelligente Geschäftsmodelle der Share Economy versuchen, diese Ziele miteinander zu vereinbaren.

So umstritten der gesellschaftliche Nutzen einiger gewinnorientierter Organisationen der Share Economy ist, sie haben dazu beigetragen, dass das Thema Sharing zunehmend Aufmerksamkeit bekommt. Das ist wichtig, auch um deutlich zu machen, dass bestehende rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen im Umgang mit der Share Economy an Grenzen stoßen.

Bei Non-Profit-Organisationen und Initiativen ist es vielleicht einfacher, den gesellschaftlichen Nutzen zu erkennen, da sie sich darauf fokussieren. Gleichzeitig ist der Nutzen aber häufig eher lokal, weil viele der Initiativen klein sind und mit ihren begrenzten Mitteln nur eine geringe Anzahl von Menschen erreichen. Um einen „echten“ gesellschaftlichen Nutzen zu haben, muss die Share Economy die Subkultur und damit die Nische verlassen und massentauglich werden. Das muss nicht durch die Idee der Gewinnorientierung gelingen – aber sie muss auch nicht zwingend ausgeblendet werden.

Sie sind mit dem Institut für Mittelstandsforschung der Universität Mannheim Teil des vom BMBF geförderten Forschungsprojekts i-share. Ein Ziel des Projektes ist es, die Wirkung der Share Economy zu erfassen. Welchen Einfluss hat die Ökonomie des Teilens auf die Gesellschaft?

Klar ist, dass die Share Economy schon jetzt Teil mehrerer gesellschaftlich relevanter Debatten ist und ihr damit ein Einfluss auf die Gesellschaft attestiert werden kann. So werden Sharing Modelle im Kontext von Nachhaltigkeit diskutiert, wenn es um die Flexibilisierung von Arbeit geht oder auch im Zusammenhang mit dem gesellschaftlichem Wertewandel. Die Wirkung der Share Economy abzuschätzen ist jedoch eine große Herausforderung. Das liegt zum einen an der Vielfalt der bestehenden Sharing Organisationen und Initiativen und ihrer Reichweite. Während manche deutschland- oder weltweit agieren und wirken haben andere einen lokalen Fokus und wirken in der Nachbarschaft, in einem Stadtteil oder in einer Stadt. Deshalb kann die Wirkung sich auch regional unterscheiden.

Berlin wird häufig als Vorreiter in Deutschland beschrieben, während in vielen ländlichen Regionen die Shaing Economy bisher wenig Einfluss hat. Zum anderen hängt die Wirkung davon ab, ob Modelle der Share Economy skalieren. Bisher zeichnet sich ab, dass sie in immer mehr Bereiche und Industrien Eingang finden, dort aber sehr unterschiedlich verbreitet sind. Während sich Sharing Modelle in der Übernachtungsindustrie oder im Bereich Mobilität bereits etabliert haben, sind sie in anderen Bereichen eher Randerscheinungen.

Die Digitalisierung hält Einzug in viele Lebensbereiche und ermöglicht völlig neue Geschäftsmodelle. Der deutsche Mittelstand reagiert jedoch nur zaghaft. Welche Chancen ergeben sich gerade für KMU durch die digitale Transformation?

Viele Mittelständler in Deutschland erstellen schon heute ihre Leistungen in Wertschöpfungsnetzen und kooperieren mit anderen Mittelständlern, um Nachteile gegenüber Großunternehmen zu kompensieren. Digitale Technologien können dabei helfen, diese Netzwerke effizienter und effektiver zu gestalten und zu steuern. Auch das Prinzip des Teilens kann im B2B-Bereich durch digitale Technologien Anwendung finden, da Ressourcenbedarfe und -Verfügbarkeit aufeinander abgestimmt und koordiniert werden können. Maschinen, Geräte, Spezialwerkzeuge, Fuhrparks oder Lagerflächen können dann gemeinschaftlich genutzt werden. Insbesondere für Kleinstunternehmen werden damit diese Dinge überhaupt erst erschwinglich. Auch das ist keine neue Idee und auch hier gibt es bereits digitale Plattformen, die ein solches „Asset Sharing “ ermöglichen.

Am 26. November 2015 findet in Berlin das 1. i-share Symposium statt.