Lesedauer ca. 4 Minuten

Teilen statt besitzen, leihen statt kaufen: Die Sharing Economy als Gegenpol zur Eigentumsgesellschaft ist ein irreversibler Trend auf der ganzen Welt. Unterschiedlich sind hingegen das Tempo und die Einstellung zum KoKonsum. Ein Vergleich.

Fragt man europäische Bürger nach dem Begriff Sharing Economy, können fast ein Drittel etwas mit diesem Begriff anfangen, fünf Prozent sagen von sich selbst, sich aktiv daran zu beteiligen. Hierzulande kennen nur 20 Prozent den Begriff. Eine verschwindend geringe Zahl im Vergleich zu der Türkei, wo mehr als der Hälfte der Bevölkerung Share Economy ein Begriff ist und fast jeder zehnte aktiv Produkte und Dienste leiht und verleiht. Australien bildet mit 17 Prozent das Schlusslicht der von der ING-Bank in Auftrag gegebenen Studie.

Trotzdem hat der KoKonsum Potenzial: Gut 24 Milliarden Euro ist der Markt inzwischen wert, so die Schätzung der Share-Economy-Expertin Rachel Botsman, die Nielsen in in einer Analyse zum Thema zitiert. Luft nach Oben ist genügend: Insgesamt können sich zwei Drittel der Bevölkerung das Leihen als Alternative zum Kauf vorstellen. Detailliert betrachtet ist das Interesse in China mit 94 Prozent besonders hoch, Europa liegt mit nur 54 Prozent Share-Economy-Interessenten etwas weiter zurück.

Pro …

Etwas näher rückt die Welt bei den Gründen für geteilten Konsum zusammen. Größter Anreiz ist in Deutschland (57 Prozent), Europa (58 Prozent) und den USA (55 Prozent) die Möglichkeit, Geld zu sparen. In Europa und Deutschland folgt der Umweltgedanke mit 53 Prozent relativ dicht, während die USA den Vorteil für die Umwelt mit 48 Prozent gewichten. Die geringste Priorität haben in Deutschland der Zusatzgewinn durch den Verleih (45 Prozent) sowie ein verbessertes Gemeinschaftsgefühl (41 Prozent). Auch in den USA spielt dieser Nebeneffekt mit 41 Prozent nur eine untergeordnete Rolle. Dafür legten die Studienteilnehmer in den USA (51 Prozent) und Europa (52 Prozent) mehr Gewicht auf ein Zusatzeinkommen durch geteilten Konsum.

… und Contra

Neben den persönlichen Vorteilen empfanden die von Ipsos befragten Teilnehmer auch Nachteile, allen voran das Gefühl, dass andere Personen persönliche Gegenstände benutzen. In den USA ist dieses Empfinden mit 64 Prozent am stärksten, in Deutschland und Europa mit 59 beziehungsweise 56 Prozent etwas schwächer. Die Angst vor unzureichender Versicherung gegen Schäden unterscheidet sich mit 55 Prozent, 53 Prozent und 56 Prozent in Deutschland, Europa und den USA nur geringfügig. Dass die Qualität eines geliehenen Produkts nicht ausreichend sein könnte, befürchten mit 51 Prozent vor allem US-Amerikaner. Deutsche und Europäer im Allgemeinen sorgen sich nur zu 46 Prozent und 45 Prozent.

Sind wir in Europa Sharing-Economy-Muffel?

Eines der derzeit bekanntesten Beispiele für die Sharing Economy ist die Anmietung von Autos für kurze Fahrten, meist innerhalb der Stadt. In den Großstädten sind Car2Go, DriveNow oder Multicity nicht mehr wegzudenken. Tatsächlich kennen 70 Prozent der Befragten laut einer Statista-Studie die bestehenden Carsharing-Angebote, allerdings buchen nur fünf Prozent entsprechende Angebote. In den USA sind es mit acht Prozent etwas mehr.

Gute Nachrichten für Unternehmen im Carsharing-Bereich: Fast die Hälfte der Deutschen will das Auto auf keinen Fall mit anderen Teilen, 22 Prozent eventuell und weitere 22 Prozent würden ihr Auto auf jeden Fall teilen. In den USA können sich nur 21 Prozent vorstellen, das eigene Auto mit anderen gemeinsam zu nutzen.

Stellt man die Frage nach dem Teilen der Wohnung oder des Hauses mit anderen, beispielsweise im Rahmen eines Wohnungstauschs, können sich nur 16 Prozent der Deutschen vorstellen, Dritten die eigene Wohnung zu überlassen. Italiener und Franzosen sind mit etwa 30 Prozent deutlich teilfreudiger, die Briten bilden mit zehn Prozent das Schlusslicht in Europa. Die USA liegen mit 15 Prozent etwa auf deutschem Niveau.

So sieht die Politik die Sharing Economy

Mit disruptiven Lösungen gelingt es Startups regelmäßig, die Politik vor Fragen zu stellen. Brauchen Uber-Fahrer eine Taxi-Lizenz oder gilt der Dienst als Mitfahrzentrale? Ab wann ist die Untervermietung einer Wohnung per Airbnb gewerblich?

In den USA wollen mit 71 Prozent der Städte der National League of Cities diese Fragen stärker zugunsten der Sharing Economy beantworten und somit den geteilten Konsum fördern, vorausgesetzt die öffentliche Sicherheit wird nicht gefährdet, so 61 Prozent der Gemeinden. Schutz traditioneller Dienstleister wie Hotels und Taxiunternehmen sehen nur noch zehn Prozent der Befragten als wichtig, unbedingte Ausrichtung am Gesetz nur noch neun Prozent.

Für Deutschland existieren Zahlen zur Einstellung der Gemeinden zur Sharing Economy noch nicht, eine Förderung soll es aber trotzdem geben – und zwar aus Brüssel. In einem von der Kommissarin für den Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMUs Elżbieta Bieńkowska vorgestellten Fahrplan für die Weiterentwicklung des Binnenmarktes wird die Sharing Economy explizit genannt. Die Kommission will unter anderem einen Überblick über europäische und nationale Gesetze schaffen, die Sharing-Economy-Unternehmen betreffen. Besserung verspricht die Kommissarin aufgrund von Best-Practise-Beispielen entwickelten neuen Richtlinien.