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Das Fließband, die Containerfracht und die elektronische Datenverarbeitung haben die Industrieproduktion zum Zeitpunkt ihrer Einführung grundlegend verändert. Schon auf absehbare Zeit könnte mit dem 3D Druck eine weitere Revolution hinzukommen. Eine Revolution, die dem Mittelstand neue Chancen bietet.

„Eine einst vernagelte Lagerhalle ist jetzt ein State-of-the-Art-Labor, in dem neue Arbeitskräfte den 3D Druck perfektionieren, der das Potenzial hat, alles zu revolutionieren, was wir herstellen“, so US-Präsident Barack Obama anlässlich eines Kongresses zum Thema 3D Druck im vergangenen Jahr. Doch noch ist das 3D-Thema vor allem Wissenschaftlern und Großunternehmen vorbehalten. Der Technologiekonzern Siemens beispielsweise druckt Düsen für Verbrennungsmotoren. Die Produktionszeit ist von fünf Monaten auf 48 Stunden geschrumpft – und das bei einem Drittel der Kosten. Kleine und mittlere Unternehmen profitieren aufgrund der hohen Anschaffungskosten derzeit kaum von der Technik mit Revolutionspotenzial.

In Deutschland stellen kleine und mittelständische Unternehmen fast 60 Prozent aller Arbeitsplätze. Der Mittelstand bildet das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Dennoch sind große Investitionen für die Entwicklung neuer Produkte – wenn überhaupt – nur mit großen Anstrengungen möglich. Wie also kann man sich die Technologie der Großen nutzbar machen? Eine mögliche Lösung für dieses Problem zeigt die italienische Firma HSL, die bereits seit 1988 mit 3D Druck experimentiert. Aus dem Startup ist inzwischen ein kleiner Großer mit sechs Millionen Euro Jahresumsatz geworden, der mittelständische Unternehmen bei der Entwicklung neuer Produkte unterstützt.

Mithilfe des 3D Drucks können Prototypen exakt geplant, ausgedruckt und überprüft werden. Monatelange Entwicklung, Analyse und Neuentwicklung? – Fehlanzeige. Eine weitere interessante Entwicklung aus Italien sind sogenannte „fabrication laboratorys“ (dt. Entwicklungslabor) oder kurz „FabLabs“. Dabei handelt es sich um eine Art Copyshop für 3D Druck, in dem Unternehmen wie auch Privatpersonen ihre Entwürfe dreidimensional umsetzen lassen können. Der Druck ist zwar teurer als mit einem eigenen Gerät, dafür entfallen mehrere Hunderttausend Euro an Anschaffungskosten. Laut Andrea Danielli, Sprecher des Verbandes Make in Italy, gebe es inzwischen mehr als 20 solcher FabLabs in Italien, Tendenz steigend.

3D Druck: Deutschland macht Druck

Doch auch in Deutschland nimmt der 3D-Trend langsam – als handele es sich um einen filigranen Druckauftrag – Gestalt an. Waren im vergangenen Jahr erst drei Prozent der deutschen Unternehmen von der 3D Druck-Technik überzeugt, hat sich diese Ansicht laut einer jüngsten Umfrage des Technologie-Branchenverbands Bitkom auf 13 Prozent mehr als vervierfacht. Dreiviertel der Unternehmen sind der Ansicht, dass der 3D Druck immerhin einzelne Branchen stark verändern wird.

Dass das Geschäft mit 3D Druckern bereits Fahrt aufgenommen hat, belegen auch Zahlen von Canalys. Im vergangenen Jahr lag der weltweite Umsatz mit 3D Druckern auf nur 700 Millionen US-Dollar. Für 2014 veranschlagen die Analysten bereits 1,3 Milliarden. 2018 soll der Markt sogar schon für 5,4 Milliarden US-Dollar Umsatz sorgen.

Visionen für Häuslebauer

Einer der Gründe für die steigende Akzeptanz ist der stetig sinkende Preis. 3D Drucker für private Zwecke sind bereits für wenige Hundert Euro erhältlich, professionelle Geräte erhalten Unternehmen bereits ab rund 8.000 Euro, je nach eingesetzter Druck-Methode.

Die am häufigsten eingesetzte Methode für den 3D Druck ist das sogenannte Additive Manufacturing (dt. aufbauende Produktion), bei dem ein Objekt Lage für Lage, Tröpfchen für Tröpfchen aufgebaut wird. Die Alternative nennt sich „Selective Laser Melting“ und beschreibt das Erstellen eines Objekts durch Erhitzung eines Grundstoffes wie Metallpulver durch Laser. Dadurch gehört nicht nur die bisher komplizierte Verarbeitung mit Sägen, Fräsen und Feilen der Vergangenheit an, sondern es können auch bislang unmögliche Formen gedruckt werden – von fast mikroskopischen Teilen bis hin zu hausgroßen Objekten.

Dass „hausgroß“ durchaus wortwörtlich zu verstehen ist, zeigt das chinesische Unternehmen WinSun. Mithilfe eines 140 x 10 x 6,6 Meter großen 3D-Printers entstehen innerhalb weniger Stunden ganze Gebäude. Das verwendete Material ist recycelter Bauabfall, der zu einer Mischung aus Zement und Glasfaser verarbeitet wird. WinSun plant ein landesweites Netzwerk dieser Recycling-Fabriken zur Produktion der Druckpaste. „Zukünftig wird beim Neubau von Häusern kein Müll anfallen“, sagt CEO Ma Yihe. Er geht davon aus, dass dieses Verfahren, die Kosten von Baufirmen um 50 Prozent reduzieren könnte.

Ein weiterer Vorteil für Unternehmen egal welcher Größe ist die zeitnahe Produktion von Einzel- oder Ersatzteilen. Wozu ein Lager aufrechterhalten, wenn sich alle Produkte innerhalb weniger Stunden direkt vor Ort selbst herstellen lassen? Durch das Drucken von bestimmten Produkten kann so nicht nur wertvolle Lagerfläche gespart werden, sondern Kunden auch zeitnah beispielsweise mit Ersatzteilen schön längst nicht mehr verfügbarer Produkte versorgt werden. Führt man den Gedanken noch ein wenig weiter, könnten sich Unternehmen in Zukunft sogar komplett auf die Planung und Erstellung von Vorlagen in Form von Druckdateien konzentrieren, die an Kunden verkauft werden. Die schlussendliche Produktion in Form des Produkts wird ohne die zeitfressenden Prozesse der Herstellung, Lagerung und Transport direkt beim Kunden zu Hause stattfinden. Mit der derzeitigen Produktion hätte das neue Verfahren nicht mehr viel gemein, die Revolution wäre vollendet.