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Stadtplaner sind weltweit auf der Suche nach neuen Mobilitätskonzepten. E-Bikes spielen dabei eine tragende Rolle. Eine Chance für Start-ups.

Schon vor dem offiziellen Verkaufsstart ist Freygeist eine Erfolgsstory. 1,5 Millionen Euro von mehr als tausend privaten Investoren hat das Startup der drei Wiener Jungunternehmer Martin Trink, Usama Assi und Stephan Hebenstreit durch Crowd-Investing über die Plattform Companisto eingenommen. Mit dem Geld wollen die drei Gründer ihre Vision verwirklichen und ab Ende Juli ein völlig neuartiges E-Bike auf den Markt bringen. Das Besondere: Es wiegt mit zwölf Kilogramm nur knapp die Hälfte eines normalen Elektrofahrrads und ist auf den ersten Blick kaum als E-Bike zu erkennen.

Kein Vergleich also zu den ersten E-Bikes, die Anfang der neunziger Jahre auf den Markt kamen. Der Schweizer Philippe Kohlbrenner, einer der Elektrofahrrad-Pioniere, hat noch aus einer Autobatterie und dem Scheibenwischer eines Lastwagens einen Zusatzantrieb für sein Fahrrad entwickelt. Daraus hat sich die Marke Flyer entwickelt, die auch heute noch E-Bikes baut und nun von einer zunehmenden Nachfrage profitiert.

Durchschnittspreis bei 2.000 Euro

Laut einer Studie des Zweirad-Industrie-Verbands (ZVI) hat sich in Deutschland die Zahl der verkauften E-Bikes von 150.000 im Jahr 2009 auf über 450.000 im Jahr 2014 verdreifacht. Der österreichische Verkehrsclub VCÖ rechnet vor, dass in Österreich rund 5.900 E-Bikes pro Million Einwohner verkauft worden sind. Die Schweiz kommt auf einen Wert von rund 7.100 und die Niederlande auf rund 13.200 Elektrofahrräder pro Million Einwohner. Ungeachtet aller Krisen und hoher Verkaufspreise ist die Tendenz steigend.

Während der Durchschnittspreis für ein E-Bike im Fachhandel bei rund 2.000 Euro liegt, geben Käufer im Schnitt eher 2.500 Euro dafür aus. Ein E-Bike von Freygeist wird rund 4.000 Euro kosten. Das Zweirad soll nach dem Willen der Gründer die urbane Mobilität neu zu definieren. „Es vereint die Technologie eines modernen E-Bikes mit dem Design und Fahrgefühl eines klassischen Fahrrads“, erklärt Martin Trink, Geschäftsführer für den Bereich Vision und Produkt. „Wenn der Motor aus ist, merkst du keinen Unterschied zu deinem Stadtrad. Motor an hebt die Schwerkraft auf.“

Highways für Fahrräder

Freygeist verspricht mit einer Akkuladung eine Reichweite von 100 Kilometern. Um nach der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) noch als Fahrrad zu gelten ist die Leistung des E-Bikes auf maximal 250 Watt und die Geschwindigkeit für den Zusatzantrieb auf 25 Kilometer pro Stunde begrenzt. „Wir haben eine ambitionierte Technologie-Roadmap bis 2018 definiert“, sagt Usama Assi, Geschäftsführer für den Bereich Technologie und Logistik. Dann will Freygeist die führende Software- und Elektronik-Plattform für elektrische Fahrzeuge im urbanen Bereich sein.

Usama Assi und sein Team treffen den Nerv der Zeit. Die Metropolen dieser Welt suchen nach alternativen Mobilitätskonzepten, bei denen das Fahrrad eine tragende Rolle spielt. Kopenhagen plant 26 Fahrrad-Schnellwege und will bis Jahresende weltbeste Fahrradstadt werden. Auch London wird seit Kurzem massiv für Fahrradfahrer umgebaut. Wien, Berlin, das Ruhrgebiet – alle setzen auf eine bessere Infrastruktur für Zweiräder und legen Förderprogramme auf. Karlsruhe, im vergangenen Zweiter hinter Münster im Ranking der fahrradfreundlichsten Städte Deutschlands, bezuschusst beispielsweise den Kauf eines E-Bikes.

Fahrrad-Highway in London
„SkyCycle“: Fahrrad-Highway für London nach den Plänen des Architekten Norman Foster Bild: Foster + Partners)

Nachrüsten statt neukaufen

Es muss aber nicht gleich ein neues E-Bike sein. Eine kostengünstigere Alternative stellen Nachrüstsets für herkömmliche Fahrräder dar. Für Aufsehen sorgt derzeit das österreichische Start-up Add-e, das in zwei Finanzierungsrunden auf der Crowdfunding-Plattform Indiegogo über 250.000 Euro eingesammelt hat. Add-e hat einen faustgroßen Motor entwickelt, der sich mit wenigen Handgriffen an das Hinterrad montieren und bei Bedarf wieder abnehmen lässt. Der Akku ist als Trinkflasche im Rahmen getarnt. „Das Rad bleibt wendig und absolut leichtgängig“, verspricht Gründer Fabian Gutbrod. Ab September soll die 25-km/h-Version für circa 900 Euro erhältlich sein.

Die urbanen Mobilitätsfragen sind eine Spielwiese für Start-ups. Unternehmen wie Freygeist und Add-e profitieren von technologischen und Vertriebsmöglichkeiten, von denen die Urväter des E-Bikes vor 30 Jahren nur träumen konnten.

Freygeist hat in seiner Roadmap 300 Zielstädte definiert. Im ersten Jahr soll das Produkt an sieben Standorten im D-A-CH-Bereich verfügbar sein. Die Prognose für das fünfte Jahr lautet: 35 Städte, 17,2 Millionen Euro Umsatz und ein Gewinn vor Zinsen und Steuern von 4,2 Millionen Euro. Das Geld der Companisten fließt in die Produktion der ersten 500 E-Bikes. Die Vorbestellungen sprechen für sich: „Bereits kurz nach der Präsentation war die erste Serie vergriffen“, so Martin Trink. „Die aktuelle Warteliste umfasst schon vor der offiziellen Markteinführung mehrere Monate.“