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Am 07. Oktober 2016 verkündete Zalando seine Kooperation mit der gaxsys GmbH. Für das gemeinsame Vorhaben, den stationären Handel mittels Händlerintegration in den Onlinehandel zu integrieren, gibt es nicht nur Zuspruch – auch kritische Stimmen sind wahrzunehmen. Jochen Krisch, Geschäftsführer der K5 GmbH und der Exciting Future GmbH sowie Herausgeber des Handelsportals Exciting Commerce, gehört beispielsweise zu den Kritikern der Händleranbindung. Mathias Thomas, Geschäftsführer der gaxsys GmbH, stellt sich im folgenden Interview seinen schärfsten Aussagen.

Taggleich zur Verkündung der Kooperation von Zalando mit der gaxsys GmbH schreibt Jochen Krisch auf seinem Blog: „Wenn schon keine Kunden mehr in den Laden kommen, dann kann der stationäre Händler doch die Zeit nutzen und Zalando-Päckchen packen“ – eine Provokation?

Mit Sicherheit ist das eine Provokation. Ich weiß ja nicht, wann Herr Krisch das letzte Mal in einem stationären Geschäft war, aber dort gehen auch heute noch Kunden hin. Der Großteil der Einzelhandelsumsätze wird sogar nach wie vor stationär getätigt und nicht online. Eine Drohkulisse aufzubauen, halte ich daher für etwas überspitzt. Der Kunde weiß, den lokalen Händler als Experten zu schätzen und geht aus diesem Grund bei ihm einkaufen. Lang lebe der stationäre Handel. Mit dem Artikelversand über Zalando wird ein zusätzliches Geschäft auf freiwilliger Basis ermöglicht – gerade für weniger frequentierte Zeiten, wie am Vormittag oder für Händler mit einem ungünstigeren Standort.

Es gibt immer noch viele klassische Händler, die überzeugt sind: “Es hat die letzten 100 Jahre gut funktioniert, also wird es auch die nächsten Jahre so laufen.“ Wir haben aber lernen dürfen, dass sich der gesamte Handel und das Einkaufsverhalten der Kunden komplett gewandelt hat. Was früher das Kataloggeschäft war, ist heute der Vertrieb über Webshops. Das ist kein Phänomen, welches Zalando oder Amazon erfunden haben, sondern entspricht den heutigen Kundenanforderungen. Der Konsument kauft stationär, über den PC, den Laptop oder von unterwegs mit seinem Smartphone. Dabei wechselt er flexibel zwischen allen ihm angebotenen Einkaufskanälen und verlangt zunehmend nach einer Same-Day-Delivery-Zustellung. Darauf müssen sich die Händler einstellen. Und ja, genau das haben die Verbände und die selbstorganisierten Händler die letzten Jahre komplett verpasst. Zalando und Co. können gemeinsam mit dem lokalen Händler das Verpasste wieder einholen – kostengünstiger, als es ein Händler alleine je schaffen würde.

Mitte September 2016 bloggt Krisch über den „Überlebenskampf des stationären Modehandels“ und über einen „Strukturwandel, der bedeute, dass die einen die anderen ersetzen“. Wer genau ersetzt hier wen?

gaxsys-Geschäftsführer Mathias Thomas fordert K5-Geschäftsführer Jochen Krisch zu einer öffentlichen Diskussion über die Händlerintegration auf.Der stationäre Handel wird nicht ersetzt, sondern er bekommt vielmehr die Möglichkeit, am E-Commerce mit zu partizipieren. Amazon macht die Händlerintegration seit es Amazon gibt und nennt es Marketplace. Kein Hahn kräht danach. Dabei wird gerade dort der stationäre Händler durch Online-Dumpingpreise in den Ruin getrieben. Die bei Amazon angebundene Händler betreiben größtenteils kein stationäres Geschäft – sie verkaufen schlichtweg aus der Garage heraus. Sie haben keine Lohnkosten, keine Angestellten, machen keine Werbung, haben keine Betriebseinrichtung und zahlen keine Miete. Deshalb muss bei dem Begriff “Marketplace“ differenziert werden. Bei der Handlerintegration mit der gaxsys GmbH handelt es sich um die Crowd-Logistik. Dabei werden ausschließlich lokale Händler an einen Webshop wie Zalando angebunden. Zum einen handelt Zalando damit durch reduzierte Transportwege ökologisch nachhaltig. Denn alleine die Retouren summieren sich täglich deutschlandweit auf 800.000, die wiederum mehr als 400 Tonnen CO2 produzieren – das entspricht 255 Fahrten mit dem PKW von Frankfurt nach Peking. Zum anderen sprechen wir auch von der ökonomischen Nachhaltigkeit. Da der lokale Handel mit der Anbindung an den Zalando-Webshop nicht ausschließlich auf Laufkundschaft angewiesen ist, werden Arbeitsplätze gesichert.

Ich freue mich, wenn Herr Krisch mich auf eine seiner Podiumsdiskussionen einlädt. Eine Debatte mit ihm über den modernen E-Commerce und die Händlerintegration stelle ich mir aufschlussreich vor.

  • Mathias Thomas –

Mit seinen Händlern pflegt Zalando dabei eine Politik der offenen Türen. An seinen Online-Shop angebundene Händler partizipieren an einem unverbindlichen Angebot und werden nicht ausgeschlossen, wenn sie nicht jedes Angebot annehmen. Zudem leitet Zalando nur einzelne Aufträge an den Point of Sale (PoS) weiter – Massenbestellungen sind tabu. Dadurch kann vor allem die Retoure am PoS geringgehalten werden. Tod der Innenstadt? Nein, sagt Zalando.

Zalando wird meines Erachtens als großer Feind ausgerufen und es wird somit eine Angst vor dem E-Commerce mit Pure Playern geschürt. Eine gut funktionierende Alternative wird dagegen nicht aufgezeigt.

Im März 2016 betitelte Krisch seinen Blog-Beitrag noch mit der Frage: „Welche Modehändler docken als erstes bei  bei Zalando an?“ Darin bezeichnet er lokale Händler als „Erfüllungsgehilfen“ des Pure Player.

Ja, der Händler ist ein Erfüllungsgehilfe, aber einer der davon profitiert. Positiver formuliert ist er ein Dienstleister. Dabei muss er sich sowohl online als auch lokal der Konkurrenz stellen. Es sieht doch so aus: Im lokalen Geschäft weist der Kunde mittlerweile den Händler via Smartphone auf einen günstigeren Preis im Internet hin. Dieses Geschäft kann der Händler abschlagen. Dann riskiert er aber, dass der Kunde bei der Konkurrenz kauft.

Natürlich tritt der Händler durch die Crowd-Logistik von Zalando mit seinem Image etwas in den Hintergrund. Dafür sitzt er an einem bereits gedeckten Tisch. Zalando und Amazon investieren dreistellige Millionenbeträge in Werbemaßnahmen, um Kunden von ihren Onlineshops zu überzeugen. Also streichen sie auch den Ruhm dafür ein und stärken ihre Marken.

In ein paar Jahren sprechen wir ohnehin nicht mehr von Online- oder Offline-Commerce, sondern schlichtweg vom Handel. Denn der Kunde zeigt uns schon heute, dass er eine einheitliche Wahrnehmung hat. Für ihn ist eine Marke eine Marke. Ihm ist es egal, ob er sich die Marke auf dem Handy, im stationären Ladengeschäft oder auf dem Desktoprechner anschaut. Er möchte auf allen Kanälen gleich bedient werden und flexibel zwischen ihnen wechseln können.

Es gilt: Der Konsument bestimmt die Spielregeln auf dem Markt. Der Handel muss sich auf den Kunden einstellen und für seine Anforderungen, wie die Same-Day-Delivery-Zustellung, Lösungen anbieten. Eine Lösung ist mit Sicherheit die Händlerintegration mit der gaxsys GmbH. Und das sage ich, der definitiv als Online-Power-Shopper gilt. Ich will in Zukunft beides genießen. Das Motto muss daher sein: online meets local.

Quellen – Aussagen von Jochen Krisch:
Wenn der stationäre Händler Zalando-Päckchen packt
Wie der stationäre Modehandel ums Überleben kämpft
Welche Modehändler docken als erstes bei Zalando an?