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Vergangene Woche ist auf Kickstarter eine interessante Kampagne gestartet. Die PACE Telematics GmbH aus Karlsruhe macht sich auf, die deutsche Automobil-Branche zu erobern. PACE verbindet das Auto mit dem Smartphone und macht so Daten über Performance, Fahrverhalten und Verbrauch zugänglich. Das Ziel: Autofahren sicherer, stressfreier und günstiger machen. Im Interview mit techtag spricht Dr. Martin Kern, einer der drei Gründer, über Smart Cars, die Herausforderungen der ersten Monate und die Zukunft der Automobil-Branche.

Mit PACE macht Ihr das Auto mittels Smartphone zum Smart Car. Wie kann man sich das vorstellen? Und wie kommen die Daten vom Auto auf das Smartphone?

Wir verbinden das Auto mit Hilfe unseres PACE Links mit dem Smartphone des Autofahrers. Der PACE Link wird dazu einfach in die OBD 2 Diagnoseschnittstelle des Autos eingesteckt. Das ist die Schnittstelle an der eine Werkstatt sonst ihre Testgeräte anschließt – sie ist daher in den meisten Fällen sehr leicht im Fahrerfußraum zugänglich. Über Bluetooth verbindet sich der PACE Link dann mit dem Smartphone und gibt dem Fahrer über die PACE App Zugriff auf die Daten aus den Bordcomputern des Autos. Wir kombinieren diese Daten zusätzlich mit verkehrsrelevanten Informationen aus dem Internet. Damit können wir dem Autofahrer neun innovative Funktionen anbieten, die ihm helfen stressfreier, günstiger und sicherer unterwegs zu sein.

Zum einen hilft PACE im automobilen Alltag – zum Beispiel mit einem Benzinkostentracking, der Find-my-Car Funktion oder dem automatischen, finanzamtkonformen Fahrtenbuch. Zum anderen unterstützen wir den Autofahrer im Falle eines Problems, beispielsweise mit dem automatischen Notruf, der bei einem Unfall selbständig den Rettungsdienst verständigt oder mit der Fehlercode Analyse über die PACE App, die einem in einfachen Worten erklärt, was das Problem ist, wenn wieder einmal eine Warnlampe im Auto angeht. Darüber hinaus können Autofahrer mit Hilfe des PACE Spritspartrainers ihr Fahrverhalten optimieren und bis zu 25% Sprit sparen. Und für die sportlichen Fahrer gibt es zudem einen Performancemonitor, der während der Fahrt zum Beispiel auch Drehzahl und Querbeschleunigung anzeigt.

Könnte das Auto über den PACE Link an der OBD 2 Schnittstelle auch gehacked oder gar gehijacked werden?

Wir haben bei der Entwicklung des PACE Systems sehr großen Wert auf Sicherheit gelegt. Der PACE Link verbindet sich nur mit einem Smartphone, wenn das Bluetooth Pairing manuell durch Drücken des PACE Links ausgelöst wird. Dadurch ist kein Zugriff auf das Auto durch Dritte von außen möglich. Zudem haben wir ein Sicherheitskonzept, dass es jedem einzelnen PACE Link nur erlaubt, mit genau der für ihn von PACE autorisierten PACE App auf dem Smartphone des jeweiligen PACE Nutzers zu sprechen. Dadurch ist unser System um ein Vielfaches sicherer als viele vergleichbare Systeme auf dem Markt.

Und gleich noch eine Sicherheitsfrage hinterher: Wo werden die PACE-Daten gespeichert?

Alle Daten werden auf unseren eigenen Servern in einem deutschen Rechenzentrum gespeichert. Und alle Verbindungen, über die Daten übertragen werden, sind selbstverständlich verschlüsselt.

Nun aber zu den eigentlichen Features: Mit PACE lässt sich das eigene Fahrverhalten optimieren. Wie funktioniert das konkret?

PACE gibt einem während der Fahrt Tipps, mit denen man sein Fahrverhalten verbessern kann und damit weniger Sprit verbraucht. Der PACE Link kann sowohl Beschleunigung als auch Verzögerung – also zum Beispiel starkes Bremsen – auswerten. Zudem bekommt er über die OBD 2 Schnittstelle die Information zum aktuellen Treibstoffverbrauch. Auf Basis dieser Daten gibt PACE einem während der Fahrt Hinweise, wie man vorausschauender unterwegs sein kann. Ein Autofahrer kann so bis zu 25% Sprit sparen. Das sind bei einem durchschnittlichen Autofahrer mehrere hundert Euro pro Jahr.

PACE Gründer
Die PACE Gründer von links nach rechts: Robin Schönbeck, Philip Blatter, Dr. Martin Kern (Bild: PACE)

Im Falle eines Unfalls alarmiert PACE außerdem automatisch den Notruf? Wie erkennt das Gerät, dass es sich nicht um einen einfachen Blechschaden handelt?

Ja, der automatische Notruf benachrichtigt eigenständig den Rettungsdienst, wenn das System einen Unfall erkannt hat. Der PACE Link hat dafür sowohl ein Accelerometer als auch einen Gyrosensor. Damit können wir die Beschleunigungs- und Verzögerungswerte des Autos messen und mit Hilfe von definierten Schwellenwerten schwere Unfälle erkennen.

Wenn das System einen Unfall feststellt, hat der Nutzer 30 Sekunden Zeit, diesen Notruf durch einen Tap auf den Screen seines Telefons zu beenden, wenn er wider Erwarten nicht verletzt sein sollte. Wenn er das nicht tut, bekommt er direkt einen Anruf aus unserem Call Center. Wenn er diesen nicht beantwortet, gehen wir davon aus, dass er dringend Hilfe benötigt und schicken sofort einen Rettungsdienst an den Unfallort. In diesem Fall wird auch die GPS Position des Unfalls direkt mit übertragen. Dadurch können wir das Risiko deutlich reduzieren, dass der Rettungsdienst die Unfallstelle nicht direkt findet und dadurch später ankommt als eigentlich möglich.

Mit Eurer Vision seid Ihr vor knapp 15 Monaten im Oktober 2014 gestartet. Mit welchen Herausforderungen musstet Ihr in der Anfangsphase kämpfen?

Eine zentrale Herausforderung für uns war von Beginn an natürlich die Entwicklung der eigenen Hardware. Glücklicherweise konnten wir hierfür im Frühjahr 2015 bereits einen etablierten deutschen Automobilzulieferer als Partner gewinnen und können so eine sehr hohe Qualität und Sicherheit des PACE Link erreichen. Zudem ist es für ein Startup, das sich an das Abenteuer Hardware-Entwicklung wagt auch am Anfang nicht so einfach Investoren zu überzeugen. Wir haben daher den ersten Teil der Entwicklung des PACE Konzepts aus eigener Tasche finanziert. Nachdem wir die ersten konkreten Entwürfe und Designprototypen fertiggestellt hatten, konnten wir im Herbst 2015 zwei private Investoren gewinnen, mit denen wir PACE jetzt langfristig entwickeln können.

Der PACE Link und die PACE App (Bild: PACE)
Der PACE Link und die PACE App (Bild: PACE)

Auf Kickstarter läuft gerade Eure Kampagne: Das eigentliche Finanzierungsziel von 50.000 Euro habt Ihr innerhalb von nur 30 Minuten erreicht. Mittlerweile steht Ihr bei rund 160.000 Euro: Darf man sich auf weitere Features freuen, die mit dem zusätzlichen Funding realisiert werden können?

Wir hatten natürlich gehofft, dass wir unser Fundingziel schnell erreichen und eventuell sogar noch übertreffen können, aber einen so extrem erfolgreichen Start hätten wir uns nie träumen lassen. Ein solches Feedback zu bekommen, motiviert unser Team auch extrem, da sich alle freuen, wie gut unser geplantes Produkt bei den Kunden draußen ankommt. Wir sind gerade schon dabei die ersten sogenannten „Stretch Goals“ zu konkretisieren – also weitere spannende Funktionen, die unseren Kickstarter-Unterstützern kostenlos zur Verfügung stehen werden. Dazu wird es in Kürze ein Update auf unserer Webseite geben.

Seid Ihr selbst passionierte Autofahrer? Welche Wagen findet man in Eurer Garage?

Ja, wir haben definitiv sehr viele „Petrolheads“ im PACE Team. Es macht auch einen riesen Spaß, mit anderen Autobegeisterten so eine Lösung zu entwickeln. Ich selbst wohne in Berlin und brauche eigentlich im Alltag kein Auto. Da ich aber Geländewagenfan bin, fahre ich einen Land Rover Defender 90. Robin muss mit Familie schon mehr auf die Alltagstauglichkeit achten und ist momentan mit einem Mercedes C Klasse Kombi unterwegs. Philip geht es ein bisschen sportlicher an, mit einem recht gut motorisierten 4er BMW. Darüber hinaus haben wir im PACE Team unter anderem noch einen Mini Cooper S, einen Audi A6 Competition und einen BMW M135i am Start.

Mit Google, Apple und Tesla mischen gerade Internet- und Tech-Giganten den Automobil-Markt auf. Was müssen deutsche Autobauer wie Daimler oder BMW tun, um nicht von der New Economy überholt zu werden?

Dieses Thema sollten die deutschen Autobauer meiner Meinung nach in der Tat sehr ernst nehmen. Tesla wurde ja zu Beginn nur belächelt, da viele nicht geglaubt haben, dass ein neuer Spieler aus dem Stand ein qualitativ hochwertiges Auto entwickeln kann. Bei einem Auto mit klassischem Ottomotor hätten sie vielleicht sogar Recht behalten, aber mit der Elektromobilität ist hier die Markteintrittsbarriere wie man sieht deutlich gesunken. Und Tesla ist ja nicht nur aufgrund des Elektroantriebs in den USA inzwischen der meistverkaufte Luxus Sedan. Meiner Meinung nach hat sich Tesla auch durch die Connectivity des Model S, durch die aktive Weiterentwicklung der bereits verkauften Fahrzeuge mit Hilfe von Softwareupdates und durch das innovative Vertriebskonzept einen deutlichen Wettbewerbsvorteil erarbeitet.

Inzwischen haben ja alle großen Automobilhersteller Research oder Innovation Center im Silicon Valley eröffnet. Das ist mit Sicherheit ein wichtiger und sinnvoller Weg, um näher an den Entwicklungen dran zu sein. Sehr wichtig ist es aber natürlich auch, dass die dort gewonnenen Erkenntnisse wirklich zu Veränderungen in den Zentralen an den Stammsitzen und den heimischen Entwicklungsabteilungen führen. Tesla ist mit seinen Agile-Elementen und der Strategie des Continuous Deployment in der Produktentwicklung hier sicher ein Extrembeispiel, aber ich denke, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, wird hier bei den etablierten Unternehmen ein grundlegendes Umdenken und ein zügiger Kulturwandel notwendig sein.