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Wenn wir von digitalen Geschäftsmodellen sprechen, fällt immer wieder der Begriff „Plattform“. Doch welche Facetten verbergen sich dahinter ? Und warum sind viele Plattformen, wie zum Beispiel YouTube oder Airbnb, so erfolgreich?

Antworten gibt uns Dr. Holger Schmidt. Seit 2012 ist er mit dem Schwerpunkt Internet FOCUS-Chefkorrespondent und hat sich auf die Themenbereiche Digitale Wirtschaft, Social Media und Arbeit 4.0 spezialisiert. Zuvor war er lange für die Frankfurter Allgemeine Zeitung unter anderem für die wöchentliche Sonderseite „Netzwirtschaft“ zuständig.

Herr Dr. Schmidt, auf Ihrem Blog Netzökonom veröffentlichen Sie unter anderem wöchentlich einen „Plattform-Index“, der Plattform-Unternehmen in einem Aktien-Index zusammenfasst. Was fasziniert Sie so an digitalen Plattformen?

Plattformen sind das überlegene Geschäftsmodell der digitalen Ökonomie. Bereits 10 der 20 wertvollsten Unternehmen der Welt und 7 der 10 wertvollsten Startups der Welt sind Plattformen. Sie dominieren heute schon viele Digitalmärkte und gewinnen auch in traditionellen Sektoren schnell an Bedeutung. Wer sich für Wirtschaft interessiert, sollte also wissen, wie Plattformen funktionieren. Mein „Plattform-Index“ ist ein Experiment, um zu zeigen, ob sich die 15 besten digitalen Plattformen der Welt auch an der Börse besser entwickeln als andere Aktien. Bisher tun sie es.

Es gibt viele verschiedene Arten digitaler Plattformen, wie beispielsweise Streaming-Dienst für Musik oder Videos; Marketplaces wie Amazon oder Sharing-Portale, zum Beispiel fürs Carsharing. Wenn wir also den Begriff „Plattformen“ verwenden, werfen wir dann nicht Äpfel und Birnen in einen Korb, und Trauben dazu?

Ja, der Begriff wird sehr unterschiedlich und leider auch oft falsch gebraucht. Eine (mehrseitige) Plattform ist ein Geschäftsmodell, das Interaktionen zwischen externen Produzenten und Konsumenten ermöglicht. Der Betreiber der Plattform ist also quasi ein Vermittler, der dank digitaler Technik aber auf der ganzen Welt aktiv sein kann. Airbnb ist eine klassische Plattform, da es private Wohnungsanbieter und Nachfrager zusammenbringt. Auch das iPhone und der dazugehörige App-Store bilden eine Plattform, auf der externe App-Entwickler und App-Nutzer zusammenkommen.

Wichtig sind dabei die indirekten Netzwerkeffekte: Ein großes Angebot lockt meist viele Nachfrager an, die wiederum noch mehr Anbieter auf die Plattform holen. Eine Marktseite beeinflusst also die andere Seite. Ein Anbieter, der Musik in Eigenregie verkauft, ist also keine Plattform. Ob er seine Musik an 1000 oder 100000 Kunden verkauft, ist den Kunden egal; es existieren also keine Netzwerkeffekte.

Digitale Plattformen fungieren Ihrer Aussage nach als „Gamechanger“ und haben sich bereits als eigenes digitales Geschäftsmodell etabliert. Was sind die grundlegenden Unterschiede zu bereits vorhandenen Geschäftsmodellen im Internet?

Wegen des Verzichts auf interne physische Ressourcen wachsen digitale Plattformen schneller und erzielen meist deutlich höhere Gewinnmargen als klassische Unternehmen. Ein Beispiel: Will die Hilton-Hotelgruppe die Kapazität erhöhen, baut sie ein Hotel, was Jahre dauert und viel Geld kostet. Wenn Airbnb das Angebot erhöhen will, reicht es aus, die Konditionen für private Wohnungsanbieter etwas attraktiver zu machen. Das geht viel schneller und kostet meist weniger.

Plattformen können auf diese Weise schneller expandieren und Märkte besetzen als klassische Unternehmen. Da zusätzlich Netzwerkeffekte wirken, sind digitale Plattformen in der Regel überlegen und ziehen immer größere Teile der Wertschöpfung an sich.

Kolumnisten wie Sascha Lobo oder Trebor Scholz sprechen von „Plattformkapitalismus“. Dabei sehen sie in Plattformen wie „Uber“ Gefahren sowohl für die Sharing-Economy als auch für bestehende Unternehmen mit ihren Beschäftigten – weil durch einige Plattformen Dienste von privaten Akteuren für weniger Geld angeboten werden. Wie schätzen Sie diese Situation ein? Und wohin wird uns die Reise noch führen?

Plattformen senken Transaktionskosten, schaffen damit Märkte und Arbeitsplätze, die vorher nicht existierten. Insofern steigern sie die Wohlfahrt. Dass sie dabei auch ineffiziente Anbieter aus dem Markt drängen, gehört zur Natur der Dinge. Dass sie oft versuchen, ein Monopol zu errichten, ist ebenfalls richtig, weil die Konzentration auf eine Plattform die Transaktionskosten oft am stärksten senkt und damit den größten Wohlfahrtseffekt hervorruft.

Das Monopol zu zerschlagen wäre in diesem Fall nicht sinnvoll, wie moderne Wettbewerbsökonomen inzwischen auch erkannt haben. Plattformen generell zu verdammen, nur weil sie mit wachsender Größe auch größere Vorteile bringe, ist ökonomisch falsch. Darauf zu achten, dass Gesetze eingehalten werden, wird damit natürlich nicht ausgeschlossen.

Wohin uns das führt? Viele stark fragmentierte Märkte werden künftig von Plattformen sortiert und strukturiert, auch in der B2B-Welt. Plattformen lösen die „ordnende Hand des Marktes“ ab. Wir stehen also erst am Beginn einer Plattform-Ökonomie, in der wir viele Wettbewerbe zwischen den Betreibern sehen werden. Für Spannung ist also gesorgt.

Mehr Informationen über Chancen und Gefahren von Online-Plattformen gibt es am 20.09. beim CyberChampions Award, den Dr. Holger Schmidt mit einer Keynote eröffnet.