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Das Silicon Valley ist der Traum vieler Techies und Gründer. Doch ist wirklich alles Gold, was glänzt? Wir sind dieser Frage nachgegangen und haben Annalisa Zuccotti, die frisch aus dem Silicon Valley zurück gekommen ist, auf ein Gespräch eingeladen – über den Spirit im Valley, Vitamin B und die Kultur des Scheiterns.

techtag: Wie lange und warum warst du im Silicon Valley?

Ich war eine Woche lang im Rahmen der RSA Conference als BeWiser Projektpartnerin in San Francisco. Unter dem Motto „BeWiser meets Silicon Valley Coordinator“ haben wir in mehreren Stationen unterschiedliche Institutionen besucht. Dabei hatten wir genügend Zeit, um uns mit den amerikanischen Kollegen, Startups, Professoren, Investoren und IT-Vertretern auszutauschen.

Um die Standardfrage „Was können deutsche Unternehmen vom Silicon Valley lernen?“ kommst du nicht herum! Was glaubst du, was macht man hierzulande falsch? Was kann man sich im Valley abschauen und was sollte man lieber bleiben lassen?

Prinzipiell kann man natürlich nicht auf Anhieb sagen, was man hierzulande falsch oder richtig macht. Hätte ich eine Antwort, hätten wir die Problematik vermutlich nicht mehr. [lacht]

Spannend fand ich die Vielzahl von Institutionen, die auf den schnellen Markteinstieg von Startups spezialisiert sind. Dieser Service zieht sich von rechtlichen, bürokratischen Dienstleistungen bis hin zur Investorensuche durch.

Während die Startups hierzulande immer noch mit der deutschen Bürokratie kämpfen, hat man im Valley einen ganz pragmatischen Lösungsansatz gefunden – und das von den Deutschen selbst.

Ganz vorne mit dabei ist der German Accelerator, ein von der deutschen Regierung gefördertes Accelerator-Programm, das dafür sorgt, dass die schon etablierten deutschen Startups schnell in den US-Markt integriert werden. Inkubatoren-Räume, Mentoring, Networking-Events und Personaldienstleistungen sind nur ein kleiner Auszug dessen, was der German Accelerator dort leistet.

Dazu kommt noch die aktive Unterstützung der German-American Chamber of Commerce, die im Valley eine beachtliche Arbeit leistet, um Startups auf ihrem Weg zu unterstützen.

Auch in Deutschland steigt die Zahl der Inkubatoren, Gründerzentren und Accelerator Programme. Ich glaube aber, wir brauchen noch mehr Einrichtungen, die neue Ideen und Innovationen aktiv vorantreiben. Das Prinzip des Cross-Pollination, wenn sich verschiedene Arbeitsfelder vermischen und gegenseitig inspirieren, ist eine weitere Sache, die wir uns vom Valley abschauen könnten.

Zusammengefasst würde ich sagen: Wir (in Europa) haben großartige Ideen, aber oft scheitert es an finanziellen Mitteln, diese auch umzusetzen. Das Silicon Valley hat genau diese finanziellen Ressourcen, die uns hier in Europa fehlen.

Glaubst du, der Spirit des Silicon Valleys  lässt sich auch auf Deutschland übertragen? Und braucht Europa ein Silicon Valley?

Es ist ganz lustig, denn im Silicon Valley weiß man über die Unterschiede Europas und der USA bestens Bescheid. Dass Amerikaner im Silicon Valley offen und  flexibel sind und sofort für eine Idee brennen, ist keine leere Phrase, sondern stimmt wirklich. Das wirkt insgesamt sehr stimulierend und ist eine große Motivation. Die Deutschen ticken da anders, was aber auch nicht immer verkehrt sein muss. Ich glaube, um den „Spirit“ des Silicon Valleys in Europa einzufangen, müssen wir erst einmal mit dem „Speed“ des Valleys mithalten können.

Ich weiß nicht, ob Deutschland ein Silicon Valley braucht, doch Europa braucht definitiv mehr Innovation und Investments. Um mit den Staaten mithalten zu können, sollte Europa gemeinsam an einem Strang ziehen. So würde man nicht nur aus einem immensen Talentpool und Investmentmöglichkeiten schöpfen, sondern auch eine unvergleichbare physische und geistige Vielfalt erschaffen können, die es zwar so in vielen europäischen Städten gibt, die aber noch zu lose miteinander verknüpft ist. Sonst laufen uns längerfristig die klugen Köpfe weg.

Ein nicht zu vernachlässigender Faktor in der deutschen Wirtschaft ist auch heutzutage noch das gute alte „Vitamin B„. Wer keine Kontakte hat, hat ein Problem. Und Gründer, die direkt von der Universität kommen, haben zumeist noch kein eigenes Business-Netzwerk. Wie wichtig ist der Faktor „Network“ im Silicon Valley?

Der Faktor Vitamin B ist kein natürlicher Prozess. Das Netz aus besonderen Beziehungen vor allem im Business-Sektor wurde irgendwann etabliert und man hat es einfach weitergeführt, ohne es großartig zu hinterfragen. Auch im Silicon Valley gibt es ein Netz von Beziehungen, aber diese sind direkter, hierarchisch flacher und fließender.

Es ist also ein viel natürlicherer Prozess, dass du jemanden hilfst, wenn du seine Idee gut findest. Dabei spielt es keine Rolle ob du ein CEO, ein Investor oder ein junger Gründer bist, der frisch von der Universität kommt.

Ist dieses „gegenseitige Helfen“  vielleicht sogar Teil des Geheimrezeptes des Silicon Valleys?

Ja, ich glaube schon. Wissens-, Erfahrungs- und Informationsaustausch ist ein altbekanntes Rezept, um etwas Neues, noch Besseres enstehen zu lassen. Dennoch sollte man nicht glauben, dass alle Silicon Valley Bewohner rund um die Uhr auf Hilfe-Modus sind, ohne einen eigenen Vorteil daraus ziehen zu können. Auch wenn ein Gespräch zwischen einem erfahrenen CEO und einem Studenten zunächst unausgewogen wirkt, wird auch der CEO etwas Inspirierendes daraus schöpfen. Damit gibt es immer eine Win-Win-Situation.

Aufgefallen ist mir aber auch, dass man sich im Valley nicht gerne „drängen“ lässt. Während man in Deutschland schon Wochen vorher einen Termin aushandelt, ist es dort eher üblich, sich spontan auf einen Kaffee zu treffen, um sich auszutauschen. In Deutschland würde das als unseriös wirken, in Silicon Valley ist das eine gute Gelegenheit, einen potentiellen Investor auf eine unkonventionelle Weise kennen zu lernen.

Auch das „Try and Error“ Prinzip ist eine gängige Arbeitsweise im Valley und kann sehr erfrischend sein. Ist dieses „Rumprobieren“ ein wichtiger Bestandteil des Erfolgs der Tech-Stars? Und inwiefern spielt die offene „Kultur des Scheiterns“ eine wichtige Rolle?

Ich kenne die Zahlen nicht, aber ich glaube, es gibt bei der Menge an Gründungen auch eine große Ziffer an Unternehmungen, die jedes Jahr scheitern.  Scheitern ist nicht das angenehmste Gefühl, doch keineswegs eine Ausnahme im Valley. Außerdem treten hier wieder der Optimismus und die Flexibilität ein, dem Misserfolg etwas Positives abzugewinnen, um daraus wieder etwas Erfolgreiches zu machen. Es beweist sogar, dass man erfahren ist und damit manchmal sogar prädestinierter für eine Stelle, als ein anderer Kandidat, der einen lückenlosen Lebenslauf vorzuzeigen hat.

Nicht nur eine offene Kultur des Scheiterns und mehr Spielraum zum „Rumprobieren“, sondern auch eine größere Portion Selbstbewusstsein macht es den Techies, Gründern und Jungunternehmern leichter, mit dem Scheitern umzugehen. Das liegt auch daran, dass das Durchschnittsalter der amerikanischen Gründer weitaus niedriger ist. Da wären wir aber wieder schon bei der Ausgangsproblematik, da man nur Gründen kann, wenn auch die Voraussetzungen dafür geschaffen werden.

Was nimmst du von deiner 7 tägigen Reise mit. Was hat dich am meisten beeindruckt?

Was mich neben den namenhaften Forschungseinrichtungen beeindruckt hat, war der Besuch bei der Singularity University, ein Think Tank bzw. Zukunftslabor. In den nächsten Jahrzehnten werden die Grenzen von Mensch und Maschine ganz verschwimmen, das wird unterschiedliche Folgen mit sich ziehen. Die Singularity University beschäftigt sich genau mit dieser Entwicklung, die sich durch alle Disziplinen wie Medizin, Erziehung usw zieht.

Ich habe ja schon ein wenig erzählt, wie die Amerikaner auf mich gewirkt haben. Doch das „Tempo“ im Valley hat mich wirklich fasziniert. Diese Geschwindigkeit zieht sich durch viele Entscheidungsprozesse. Anders als in Deutschland wird schnell gegründet und schnell investiert. Natürlich ist nicht alles Gold, was glänzt und es gibt auch eine Menge an failure stories. Doch scheitert das Business Modell, wird sich schnell erholt, um dann wieder so schnell wie möglich weiter zu machen.

Über BeWiser:

„Building Enterprises – Wireless and Internet Security“ ist ein Projekt im Rahmen des FP7, ein Unterstützungsprogramm der Europäischen Kommission für Forschung, Wissenschaft und Innovation. Ziel ist es, ein Bewusstsein für Zusammenarbeit, Austausch und Datenschutz zu schaffen. Das BeWiser Konsortium besteht aus 7 Partnern aus verschiedenen EU-Ländern.  Das Nachfolgeprojekt ist Horizon 2020 mit Schwerpunkt auf Forschung und Innovation mit einem Budget von 80 Milliarden Euro.
http://be-wiser.eu/