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Im Rahmen des AppArtAwards sucht das ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie auch 2016 wieder künstlerische Smartphone-Applikationen. Noch bis zum 23. Mai können Künstler, Kreative und Entwickler ihre Apps für den Wettbewerb einreichen. Ein willkommener Anlass, um mit Christiane Riedel der Geschäftsführerin des ZKM über Digitalisierung, den AppArtAward und die verrücktesten Einreichungen der vergangenen Jahre zu sprechen.

techtag:  Frau Riedel, mehr als die Hälfe aller Bundesbürger besitzt heutzutage ein Smartphone. Täglich verbringen wir knapp 2,5 Stunden mit WhatsApp und Co. Hätten Sie mit solch einem Siegeszug der mobilen Applikationen gerechnet?

Ja, das war vorherzusehen.

Allerdings wohl noch nicht für Thomas J. Watson, IBM Vorstandsvorsitzender, der 1943 prognostizierte „… dass es einen Weltmarkt für vielleicht fünf Computer gibt.“ 40 Jahre später, 1983 war sich Steve Jobs schon sicher, dass jede Schule mit Computern ausgestattet sein wird.

Die Industriegesellschaft hat sich in eine Konsumgesellschaft transformiert, damit einher ging auch die Wandlung in eine Informations- und Kommunikationsgesellschaft. Informationen und Kommunikation sind zu Werten geworden, die dauernd in einem ideellen und kommerziellen Austausch sind.

Diese Entwicklung hat mit dem Aufkommen der sozialen Medien eine enorme Dynamik und Verbreitung erhalten, aus der eine neue, komplex vernetzte Kommunikationsdistribution entstanden ist. Die Apps sind die Treiber in diesem neuen mobilen Kommunikations- und Wirtschaftssystem.

Welchen Einfluss haben Smartphones, Apps und das mobile Internet auf die Kunst?

Zunächst muss man in Erinnerung rufen, dass die Kunst und Kultur einen großen Einfluss auf die Entwicklung des Personal Computers und des Mobile Computing hatte. Die Anfänge von Apple und Co im Silicon Valley standen in enger Beziehung zum Flower Power der Hippiekultur und zur Counterculture (Gegenkultur) der Beat Generation in der San Francisco Bay, die alle möglichen Experimente zur Bewusstseinserweiterung machten unter Einsatz von psychedelischen Drogen bis zu technischen Medien.

 

Die Entwicklung des Personal Computers aus den Riesenrechenmaschinen der Unternehmen ist daraus eine logische, auf das Individuum angepasste Entwicklung. Die graphische Benutzeroberfläche, GUI Graphical User Interface, die es nun auch jedem Laien möglich machte, einen Computer zu bedienen, wurde von einer Künstlergruppe am Xerox Parc entwickelt. Hinzu kam das Design der 60er und 70er Jahre. Ohne den coolen Minimalismus der deutschen Designer Dieter Rams und Hartmut Esslinger hätten die Apple-Produkte, vom Macintosh bis zum iPhone, nicht einen so unvergleichlichen Siegeszug antreten können.

Mit dem Personal Computer und später dem Mobile Computing stehen den Kreativen nun alle smarten Potenziale der audiovisuellen Interaktion zur Verfügung. Der mobile Computer, das allgegenwärtige Smartphone, ist das Universalwerkzeug, mit dem die Kunst alle bisher getrennten Gattungen und Medien verbinden kann. Damit ist der Traum des synästhetischen Gesamtkunstwerkes in Erfüllung gegangen.

Gleichzeitig werden damit die Grenzen zwischen kreativen Produzenten und kreativen Usern aufgelöst, die nun in einem permanenten Kommunikationsfluss sind. Diese neue Einheit des „Produsers“ kann nun unendlich viele neue Werke schaffen.

App Awards gibt es viele, doch nur ein Wettbewerb betrachtet Applikationen unter ästhetischen bzw. künstlerischen Gesichtspunkten. Wie kam es zum AppArtAward?

Im Jahr 2008 ging der AppStore von Apple an den Start. Trotz der großen Möglichkeiten für Kreativität wurde keine Kategorie für Kunst vorgesehen. Dies hatte sich auch bis 2011 nicht geändert. Das war der Grund, warum das ZKM, das CyberForum und die CAS Software AG den AppArtAward initiierten.

Es sollte die kreative Seite von Programmierung sichtbar gemacht werden und damit auch das Potenzial der IT-Region Karlsruhe, in der technische und künstlerische Entwicklung aufs engste verbunden sind.

6 Jahre AppArtAward: Das sind 17 Gewinner und über 500 Einreichungen aus über 40 Ländern: Welche App war in all den Jahren die Außergewöhnlichste?

Bei dieser Anzahl an Einreichungen ist es für uns natürlich schwer, sich für eine App zu entscheiden. Wir haben uns hier zwei von mehreren Beispielen ausgewählt, welche uns sehr beeindruckt haben. Die App ARART, welche den Sonderpreis Augmented Reality Art 2013 gewonnen hat, von Kei Shiratori, Takeshi Mukai und Younghyo Bak, verwischt die Grenzen zwischen dem realen und der virtuellen Welt. Durch das iDevice wird aus dem realen Kunstwerk ein Neues, welches dem Betrachter neue Sichtweisen auf das Original gibt.

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Weitere Informationen

Die APP ARART bringt durch Augmented Reality neues Leben in Gemälde. (Video: ZKM)

Das zweite Beispiel wäre PhonoPaper von Alexander Zolotov aus dem Jahr 2014. Diese App ist ein grafischer Tongenerator, mit welcher Bilder und Strichcodes in Klänge umgewandelt werden.

Die APP PhonoPaper verwandelt Bilder und Strichcodes in Klänge. Mehr Videos sind auf der offziellen YouTube Seite von Alexander Zolotov zu finden. (Video: Alexander Zolotov )

In diesem Jahr neu dabei ist die Kategorie Connected Art: Sensoren, RFID-Chips, Wearables – das Internet der Dinge vernetzt alles, was vernetzt werden kann. Wird das Smartphone so zu einer Art Fernbedienung für ein vernetztes und datenoptimiertes Leben?

Ja, das ist treffend beschrieben. Das Smartphone wird zum Transmitter im digitalen Universum genauso wie zwischen analoger und digitaler Welt. Ein Beispiel: Man entwirft ein Objekt als 3D-Modell am Computer, schickt es zum 3D-Drucker und druckt es zu einem realen Gegenstand aus.

Oder man scannt eine Person ein, um ihre Daten um die Welt zu schicken und an einem anderen Ort als Objekt wieder auszudrucken. Alles reale kann in Daten verwandelt werden, die durch die Netzwerke fließen und andere Erscheinungsformen annehmen können.

Premiere beim AppArtAward feiert auch eines der Trendthemen für 2016: Virtual Reality. Was macht VR für die Kunst so spannend?

Virtual Reality ist der logische Schritt in einer Entwicklung vom statischen Tafelbild zum Bewegbild des Films hin zu einer allumfassenden, immersiven, interaktiven Umgebung, in der sich die Menschen wie in der realen Welt bewegen können.

Mit dem Sonderpreis Sharing kommt außerdem eine Kategorie hinzu, bei der nicht der künstlerische Aspekt, sondern der Gemeinschaftsgedanke im Vordergrund steht: Das Teilen, Leihen und Tauschen. Kunst und gesellschaftlicher Nutzen – die perfekte Synergie?

Ja, davon träumten die Künstler der 60er Jahre, die Kunst nicht als abgeschlossenes Werk, sondern als sozialen und partizipativen Prozess definierten. Digitale Werke kennen das Unikat nicht, sie sind potenziell interaktiv und unendlich zu vervielfachen und von daher ohne Qualitätsverlust jederzeit mit jedermann zu sharen.

Auf welche Kategorien dürfen wir uns beim AppArtAward 2016 außerdem freuen?

Der Künstlerische Innovationspreis lässt die größten Freiheiten in der künstlerischen und technischen Herangehensweise. Beim Sonderpreis Art + Experience geht es darum, wie durch die smarten Tools sich aus einer künstlerischen Perspektive auch unsere Wahrnehmung, unsere Sinne verändern und erweitern lassen.

Smartphones, Apps, Beacons  – auch für Museen ergeben sich im Zuge der Digitalisierung völlig neue Möglichkeiten der Interaktion mit dem Besucher. Hat der gute alte Audio Guide bald ausgesorgt?

Nein, wahrscheinlich wird es den guten alten Audio Guide auch weiterhin geben. Er hat ja immer noch viele Fans. Aber es wird ständig neue Vermittlungsformate geben, die auf den crossmedialen Praktiken der Digital Natives basieren.

Schon 2006 ging mit der ZKM-Ausstellung „Lichtkunst durch Kunstlicht“ die erste ZKMP3-Führung online. Der Durchbruch der MP3Player brachte uns auf die Idee, Audioguides als MP3-Download über die Webseite zkmp3zkm.de kostenfrei zur Verfügung zustellen. Alle weiteren Entwicklungen wurden ganz selbstverständlich zur Vermittlung genutzt, QR-Codes ebenso wie AR-Apps, Geocaching, Twitterwalls und vieles mehr.

Mal ganz fernab von jeglichem künstlerischen Anspruch: Welche App darf auf keinem Smartphone fehlen?

Die App der Deutschen Bahn, die über die ewig ärgerlichen Zugverspätungen informiert. Es ist ein Paradox: Je schneller die Datenleitungen werden, je später kommt die Bahn.

Noch bis zum 23. Mai können Applikationen in den Kategorien „Künstlerischer Innovationspreis“, „Connected Art“, „Virtual Reality“, „Art +Experience“ sowie „Sharing“ eingereicht werden. Weitere Informationen unter: www.appartaward.org